Süddeutsche Zeitung

Konzert:Schluss mit gehauchter Besinnlichkeit

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Organist Heinrich Wimmer zelebriert in der Herrschinger Nikolauskirche den Abschluss der Weihnachtszeit mit der "Toccata und Fuge F-Dur" von Johann Sebastian Bach.

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Traditionell endete einst die Weihnachtszeit liturgisch mit der Krippenschließung an Mariä Lichtmess 40 Tage nach Weihnachten. Solange bleiben Christbäume mitunter auch heute noch stehen. Aber wer kann schon übers Dreikönigsfest (Epiphanias) hinaus noch an Weihnachten denken, sobald ihn der Arbeitsalltag wieder hat? Dieses "Festliche Orgelkonzert zum Abschluss des Weihnachtsfestkreises am Fest Taufe des Herrn" mit Werken aus dem 17. bis 20. Jahrhundert folgte also der reformierten Liturgie mit dem Ende der Weihnachtszeit am Sonntag nach Epiphanias. So konnte zugleich das alte, sorgengetrübte Jahr verabschiedet und das neue hoffnungsvoll begrüßt werden. Soweit der gedankliche Kontext in St. Nikolaus in Herrsching mit dem Burghauser Organisten Heinrich Wimmer, dessen einschlägige Vita zu den besonders beeindruckenden des Fachs gehört.

Doch hier ging es weniger um Virtuosität als um die besondere Fähigkeit der Orgel, seelentief anzusprechen. Dementsprechend fand im Grunde nur ein einziges ausgesprochenes Konzertstück ins Programm: Toccata und Fuge F-Dur (BWV 540) von Bach. An die Weihnachtszeit erinnerten indes Vortragsstücke, die bekannte Weihnachtslieder zum Thema hatten, die jeweils vielfältig variiert wurden. Dieser Typus kommt von der freien Improvisation her, dem besonderen Fach in der Ernsten Musik, das sich an der Orgel wohl dank der festen Einbindung in den Gottesdienst bis heute erhalten hat. Was der Orgelmeister der norddeutschen Schule Buxtehude "Fantasia" - hier über "Wie schön leuchtet der Morgenstern" - nannte, gehörte im Grunde demselben Genre an. Es war sicher das anspruchsvollste darin und von Wimmer nach der Vorstellung des Themas im sonoren Pedalbass mit sinnenfreudiger Registrierung und straffer Phrasierung in eine Reihe von entschieden artikulierten Charakterstücken verwandelt worden.

Die Orgel überrascht trotz mechanischer Traktur mit klarer Ansprache

Die Orgel aus der Werkstatt von Riegner & Friedrich (1994, Hohenpeißenberg) überrascht mit den nicht allzu üppigen 22 Registern immer wieder mit Reichtum an Farbigkeit und trotz mechanischer Traktur klarer Ansprache. Die feineren Nuancen kamen den stilleren Themen zugute, die hier aus der Feder mitteldeutscher Orgelmeister für die besinnlichen Momente sorgten. Der in Dresden wirkende Kantor und Organist Thomas Otto verarbeitete das warmtonige "Es ist ein Ros entsprungen" ebenfalls in der Art Buxtehudes auf eine freie Weise. Während der Organist der Kreuzkirche in Dresden, Christian Robert Pfretzschner, "Stille Nacht, heilige Nacht" in den "Variationen im Style einer Pastorale" stets hörbar beibehielt, wagte der eine Generation spätere Otto Anfang des 20. Jahrhunderts bereits die Fragmentierung des Themas in einzelne Motive. Ihre Verarbeitung hatte etwas Verspieltes an sich, doch von Wimmer stets transparent formuliert. Als Rarität bot Wimmer hier ein "Lied ohne Worte" des österreichischen Liedkomponisten Anton Schmid aus der Zeit der Romantik, das hier mit sehnsuchtsvoller Melancholie einer schlichten Flötenmelodie über warmtoniger Triolenbegleitung noch einmal die Gelegenheit zum Innehalten gab. Dies ist zwar nicht die Aufgabe eines im Ursprung improvisierten Choralvorspiels, doch hatte der über "Verleih uns Frieden gnädiglich" von 1912 des Oberfranken Elias Oechsler einen durchaus meditativen Charakter. Heinrich Wimmer verlieh der Komposition in gemächlichem Tempo einen flehenden Unterton, der aus aktuellem Anlass angemessen schien.

Aber es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es im Konzert nur leise und besinnlich zuging. Im Gegenteil: Wimmer ist kein Freund gehauchter Besinnlichkeit, eher eines vitalen, klangvollen Sinnierens. Die Orgel kam daher auch durchaus dazu, ihre Kraft zu demonstrieren. Schon zu Beginn mit "Lobet den Herren mit Pauken und Zimbeln schön - alla Händel" war festlicher Glanz erstrahlt. Kraftvoll jubilierend, aber auch tänzerisch leicht und mit reizvollen Echo-Effekten. Konzertante Größe kam indes in anfangs erwähntem Werk Bachs auf, in dem einmal mehr die imposanten Bassregister der Orgel die Klangsubstanz mächtig stützten. Die Kraft der voranstürmenden Toccata machte zunächst in der Fuge einem chromatischen Absteigen Platz, kehrte über das heiter-beschwingte Thema im Finale aber in barocker Pracht zurück.

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