Süddeutsche Zeitung

Oldtimer:Ein Siebentonner zum Verlieben

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Um die alte Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Seefeld-Oberalting zu retten, gründen 14 Männer und Frauen den "Verein zur Förderung historischer Feuerwehrgerätschaften"

Von Christine Setzwein

Ein Feuerwehrauto, das nicht funktioniert? Geht gar nicht. Ist aber so passiert in den 1990er Jahren in der Gemeinde Seefeld im Landkreis Starnberg. Ein Sturm war übers Land gefegt, im Ortsteil Drößling hätte es eine Drehleiter gebraucht, aber das Ding auf dem Magirus-Lkw, Baujahr 1958, klemmte, wollte sich einfach nicht ausfahren lassen. Der Spott war der Freiwilligen Feuerwehr Seefeld-Oberalting sicher, der Unmut über die unfreiwillig unterlassene Hilfeleistung aber auch. Eine neue Drehleiter musste her, aber wohin mit der alten DL 18, die 1996 außer Dienst gestellt wurde? Der damalige Kommandant Heinrich Luttner und ein paar weitere Feuerwehrler waren der Meinung, dass das Fahrzeug auf keinen Fall verschrottet werden dürfe. Aber dass die Gemeinde Seefeld den Wagen verkauft, dass der gute alte Rundhauber künftig nur noch zum Obstbaumschneiden hergenommen werden sollte, gefiel ihnen auch nicht. Die Idee, einen Verein zu gründen, nahm Gestalt an. Am 31. Juli 1998 trafen sich im Gasthof Ruf 14 Seefelder, darunter zwei Frauen, und hoben den "Verein zur Förderung historischer Feuerwehrgerätschaften" aus der Taufe.

Brigitte Luttner war eine der beiden Frauen. Auch nach 20 Jahren ist die Bürokauffrau noch mit Feuereifer dabei. Die Schriftführerin erinnert sich an jedes Detail der Restaurierung, an jede Ausfahrt, an jede Panne. Und Pannen gab es genug. Da war zum Beispiel die Feuerwehr-Oldtimer-Rallye in die Schweiz, als die Drehleiter nach dem Tankstopp nicht mehr anspringen wollte und die Mitfahrer schieben mussten - das Teil wiegt siebeneinhalb Tonnen. Oder die "Verdrussfahrt", wie Luttner sagt. In Schwabhausen bei Landsberg war eine Oldtimer-Rundfahrt angesetzt. Plötzlich tropfte Öl vom Motor ins Führerhaus. Alle raus in den strömenden Regen, mit Tüchern und Schuhen wurde versucht, den Schaden fürs Erdreich möglichst gering zu halten, ein Ölbinder wurde angefordert. Ans Weiterfahren war natürlich nicht mehr zu denken, die Drehleiter musste mit einem Traktor abgeschleppt werden. Später stellte sich heraus, dass die Verteilerdeckeldichtung kaputt war. Brigitte Luttner zog aus der Panne eine Lehre. Seitdem gibt es immer genug Papier- und Feuchttücher sowie Ölbinder im Wagen.

Der Rundhauber hat, wie der Name schon sagt, eine runde Haube. Für den Erhalt und die Restaurierung des Fahrzeugs, Baujahr 1958, setzen sich Richard Dellinger und Brigitte Luttner seit 20 Jahren ein.

Dafür kriecht die Schriftführerin auch schon mal in den Radkasten, wenn es nötig ist.

Ausfahrten mit dem historischen Vehikel machen Spaß, sind aber auch immer für Überraschungen gut. Es gibt keine Servolenkung, und fürs Pedaltreten braucht es enorm viel Kraft.

2002 konnte mit der Restaurierung des Rundhaubers begonnen werden. Immer samstags kamen die Helfer zusammen, die Rostschäden wurden geschliffen und gespachtelt, der Wagen zerlegt und lackiert und in Eigenregie wieder zusammengebaut.

Fahren dürfte die zierliche 56-Jährige den Rundhauber mit ihrem alten IIIer-Führerschein, aber sie kann es nicht. Das Fahrzeug hat keine Servolenkung, damit es vorwärts kommt, sind Zwischengas und Zwischenkuppeln nötig. Und fürs Pedaletreten braucht es enorm viel Kraft.

Richard Dellinger hat damit kein Problem. Der 64-Jährige ist Gerätewart des Vereins und gelernter Landmaschinenmeister. Jetzt ist er in Rente, und auch das Amt des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Unering, das er 30 Jahre lang innehatte, hat er jüngst aufgegeben. Der Rundhauber, der auf dem Papier immer noch der Gemeinde Seefeld gehört, macht genug Arbeit. Gerade springt er nicht an, die Batterie ist wohl kaputt. Und da ist ja auch noch das Tanklöschfahrzeug TLF 16/24 aus dem Jahr 1961, das neben der Drehleiter in der Halle des ehemaligen Seefelder Bauhofs steht. Das TLF hat der Verein 2007 für einen symbolischen Betrag von der Feuerwehr Olching gekauft. Ebenfalls im Besitz des Vereins ist eine historische fahrbare Holzleiter, Baujahr etwa 1930.

Es hat ein paar Jahre gedauert, bis der neue Verein mit der Restaurierung des Rundhaubers beginnen konnte. Viel Geld musste in den Anfangsjahren für Stellplätze ausgegeben werden. "Wir mussten uns erst ein finanzielles Polster schaffen", sagt Luttner. 2002 konnte mit der Restaurierung des Rundhaubers begonnen werden. Immer samstags kamen die Helfer zusammen, die Rostschäden wurden geschliffen und gespachtelt, der Wagen zerlegt und lackiert und in Eigenregie wieder zusammengebaut. Bis Mai 2004 waren sie fertig und konnten ihre erste Ausfahrt zur Drehleiter-Ausstellung nach Memmingen unternehmen. Danach waren der Innenraum, der Leiterpark und die Schlauchhaspel an der Reihe. Allein von 2002 bis 2006 fielen 750 ehrenamtliche Arbeitsstunden an.

Mindestens 7000 Euro wurden in die historischen Fahrzeuge investiert. Viel Geld für einen Klub, der seinen Mitgliedern - aktuell sind es 28 - nur 50 Euro pro Jahr abverlangt. Weil der Förderverein nicht die Vorgaben für die Gemeinnützigkeit erfülle, gebe es auch nur wenig Spenden, bedauert Luttner. Seit 2013 darf wenigstens die gemeindliche Halle an der Stampfgasse unentgeltlich als Stellplatz genutzt werden.

Wie in nahezu allen Vereinen mangelt es an Nachwuchs. Luttner versteht das. "Die jungen Leute sind heute in so vielen Vereinen, die haben keine Zeit mehr." Und wer will schon an alten Feuerwehrautos herumbasteln, die Wagen sauber und sich dabei dreckig machen. Brigitte Luttner und Richard Dellinger und noch ein paar andere mögen es. Aber: "Idealismus gehört schon dazu", sagt Dellinger. Den hat er. Dellinger ist auch Vorsitzender des Soldaten- und Reservistenvereins Unering und Vorstand der Motorradfreunde Gilching. Daheim hat er einen olivgrünen Geländewagen der Nationalen Volksarmee der DDR, Baujahr 1961, zu einem knallroten Feuerwehrauto für sieben Mann umgebaut. "Jetzt hätten wir sogar einen historischen Löschzug", sagt Dellinger.

Neben der vielen Arbeit an den alten Fahrzeugen soll die Geselligkeit nicht zu kurz kommen. Jeden dritten Dienstag im Monat ist "Ratsch- und Schraubtreff" an der Fahrzeughalle, es gibt ein jährliches Grillfest, Wanderungen und ab und zu auch einen Ausflug. Wenn nicht gerade die Batterie, der Bremskraftverstärker oder eine Ölleitung defekt ist, wird der Rundhauber auch schon mal als Brautauto genutzt, mit Blumen geschmückt und innen mit weißen Laken ausgelegt, "damit sich die Braut nicht schmutzig macht", sagt Luttner.

Was ihr so gefällt an den alten Fahrzeugen? "Mich faszinieren die Form und der Klang", sagt sie und schließt vorsichtig die Tür des Rundhaubers.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2018
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