Süddeutsche Zeitung

Mitten in Herrsching:An Straßennamen tadellos gescheitert

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Den Gemeinderäten ist es zwar nicht gelungen,  eine Lösung für die Zwillingsstraßen zu finden. Aber dafür haben sie wenigstens keinen Fehler gemacht

Glosse von Astrid Becker

Da war doch neulich so ein Knall bis nach Andechs zu hören, oder? Schon, gell? Die Polizei hatte dafür übrigens hurtig eine Erklärung parat: Ein Unbekannter soll sich an einem Weiher in der Nähe als Sprengmeister versucht haben. Wer? Das blieb unklar. Ebenso eine Weile, um welchen Weiher es sich genau handelt. Von einem Gewässer bei Frieding war zuerst die Rede, dann vom Eßsee auf dem Max-Planck-Grundstück in Seewiesen, und nun sprechen alle nur noch von einem Tümpel bei Rothenfeld. Vom Täter fehlt nach wie vor jede Spur. Und vielleicht hat sich das Ganze gar nicht zugetragen. Sondern es war ganz anders. Und woanders.

Zum Beispiel im Herrschinger Rathaus. Nein, explodiert ist da nix. Nur geknallt könnte es dort schon haben. Denn nach der neuesten Post von der Kommunalaufsicht, die dort eingetroffen ist, hätte Bürgermeister Christian Schiller jedenfalls allen Grund, ein paar Flaschen Sekt zu köpfen. Monatelang, nein, sogar jahrelang waren er, sein Team und der Gemeinderat mit einem Thema befasst, das sogar überregional auf Interesse stieß: den "Zwillingsstraßen". Gemeint sind Seestraße und Kapellenweg, die es sowohl in Herrsching als auch im Ortsteil Breitbrunn gibt. Manch' einer hatte da eine Umbenennung gefordert - sowohl in Herrsching als auch in Breitbrunn. Stundenlang debattierte der Rat darüber, neue Namen wurden ersonnen, alle betroffenen Anwohner befragt, angeschrieben und noch einmal befragt. Die Post war jedenfalls gut beschäftigt, und sämtliche Computer in der Gegend rauchten schon vom ständigen E-Mail-Verkehr hin und her. Sie qualmten wie die Köpfe der Gemeinderäte, die sich immer wieder mit dieser Frage befassen mussten, wohlwissend, dass die Mehrheit der Anwohner gar keine Lust auf neue Adressen hat oder gar manche Namensvorschläge so gar nicht goutieren wollte. Was letztendlich auch zu einer Entscheidung führte - nämlich der, alles beim Alten zu belassen und keine der Straßen umzutaufen. Die Erleichterung war förmlich spürbar in der Sitzung, als man endlich beschloss, das Thema zu den Akten zu legen. Einer Lawine glich es gar, was sich da von den Herzen und Seelen der Räte rollte.

Was uns wieder zu dem Knallen bringt. Also zu den Sektkorken. Nachdem trotz allem wieder welche nicht so ganz einverstanden waren mit dem Ratsbeschluss, nahm sich die Kommunalaufsicht der Sache an und beschied nun, dass Herrsching komplett richtig gehandelt habe, sogar "fehlerfrei", wie es im Schreiben des Landratsamts heißt. Na, wenn das nach diesen endlosen Diskussionen und dem überbordenden Schriftverkehr dazu kein Grund zum Feiern ist! Gut, einen kleine Anmerkung hätte sich die Kreisbehörde schon sparen können: die Empfehlung, für die betroffenen Straßen Lösungen zu finden. Denn die gibt es nicht. Nicht in Herrsching. Deshalb setzt Schiller das Thema auch nicht auf die Tagesordnung einer Sitzung. Hat er selbst gesagt. Stattdessen lässt er lieber Korken knallen. Ohnehin klüger in diesen Zeiten.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2021
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