Süddeutsche Zeitung

Kreishaushalt:"Geisterbusse können wir uns nicht mehr leisten"

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Personalmangel und knappe Kassen zwingen den öffentlichen Nahverkehr im Landkreis Starnberg auf einen Sparkurs. Der Landrat will Linien mehr als bisher auf ihre Effizienz hin überprüfen.

Von Michael Berzl, Starnberg

Die Schulden steigen, das Geld wird knapp, der Landkreis Starnberg muss sparen. Das wird sich in den nächsten Jahren wohl auf das Bus-Angebot auswirken, das bisher immer mehr ausgebaut wurde. Nun ist ein Wendepunkt erreicht, und es geht wieder in die andere Richtung. "Wir müssen den ÖPNV anpassen und effizienter machen", sagte Landrat Stefan Frey (CSU) am Montag zum Abschluss der Haushaltsberatungen im Kreistag. Effizienter dürfte in dem Fall bedeuten: weniger großzügig. Kostspielige Angebote, die wenig angenommen dürften dann in die Kategorie ineffizient fallen. "Geisterbusse können wir uns nicht mehr leisten", hatte zuvor schon der FDP-Kreisrat Wilhelm Boneberger in seiner Haushaltrede erklärt.

Über Jahre hinweg war es die Linie des Landkreises, das Busnetz attraktiver zu machen durch zusätzliche Verbindungen, mehr Fahrten, regelmäßigere Taktung, bessere Abstimmung an die S-Bahn. Autofahrer sollten so zum Umsteigen bewegt werden. Doch das hat seinen Preis, denn der öffentliche Nahverkehr ist ein teures Draufzahlgeschäft. Das Defizit wird Jahr für Jahr auch aus der Kreiskasse ausgeglichen; heuer sind für den ÖPNV 14 Millionen Euro veranschlagt. Hier sieht Frey wie Boneberger "Einsparpotenzial".

Der Landrat sprach von einem "Haushalt der Realitäten", die Ansprüche im Landkreis seien in manchen Bereichen sehr hoch, doch nun stoße man eben an Grenzen. Konkret nannte er die Schülerbeförderung, wo auf manchen Linien keine Fahrer mehr zu finden sind. Mehrfach mussten in diesem Jahr wegen Personalmangel Verbindungen gestrichen oder wenigstens ausgedünnt werden. Eine deutliche Besserung ist da wohl so schnell nicht in Sicht, und nun kommt noch der finanzielle Aspekt hinzu. "Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren", meint daher der Landrat.

Dass nicht mehr alles bezahlbar ist, dass es eng wird in den kommenden Jahren, das ist immer wieder angeklungen in den abschließenden Haushaltsreden in der letzten Sitzung des Starnberger Kreistags in diesem Jahr. Der Etat mit einem Gesamtvolumen von 278 Millionen Euro war zuvor schon seit Anfang November in diversen Ausschüssen vorberaten worden. Wichtige Eckdaten: Die meisten Gemeinden müssen im nächsten Jahr per Umlage deutlich mehr Geld nach Starnberg überweisen, damit der Kreis seine Ausgaben decken kann, und laut Finanzplanung steigt dieser Anteil weiter an. Vor allem wegen der hohen Investitionen in Schulen und Kliniken steigt der Schuldenstand in den kommenden Jahren erheblich an, die Belastung durch Zins und Tilgung entsprechend.

Der Blick in die Zukunft fällt dementsprechend quer durch die Fraktionen besorgt aus. FW-Kreisrat Rainer Schnitzler aus Pöcking, der zugleich Bürgermeistersprecher ist, warnte, "dass es für die Kommunen sehr düster ausschaut". Neun von 14 Gemeinden im Landkreis können nach seinen Worten ihren Verwaltungshaushalt nicht mehr ausgleichen. Anders ausgedrückt: "Die leben von ihrem Sparbuch. Da können die laufenden Ausgaben nicht mehr von den laufenden Einnahmen gedeckt werden." Ein Zustand, der so eigentlich nicht vorgesehen ist.

Zugleich verlagerten Bund und Land immer mehr Aufgaben auf den Kreis, was erhebliche Zusatzkosten verursache. Schnitzler kritisierte außerdem "überbürokratisierte Förderprogramme" mit großem Verwaltungsaufwand und sagte: "Wir müssten 50 Prozent der Vorschriften streichen". Mit Blick auf die Förderung von Sport, Kultur und Bildung in den Kommunen sagte er: "Es steht viel auf dem Spiel." Dem Haushalt könnten die Freien Wähler nur "unter großen Schmerzen" zustimmen. Und so ging es auch anderen Fraktionen.

"Die Lage ist wirklich sehr ernst"

"Die Lage ist wirklich sehr ernst", sagte Kreisrat Boneberger. Und Bernd Pfitzner (Grüne) mahnte, "dass auch das nächste Jahr für die Kommunalpolitik nicht einfacher werden wird." CSU-Fraktionssprecher Harald Schwab prophezeite, man werde sich von vielen Annehmlichkeiten verabschieden müssen: "Leute, so geht es halt nicht weiter." SPD-Sprecher Christian Winklmeier warnte vor den Folgen, wenn beim Personal im Landratsamt zu sehr gespart werde: Der Krankenstand steige an, ebenso die Kündigungsquote.

Mit großer Mehrheit ist der Kreis-Etat für das nächste Jahr, der seit Anfang November schon in mehreren Runden gründlich beraten worden ist, letztlich gebilligt worden. Dagegen stimmten nur Peter Unger und Erika Schalper von den Grünen sowie AfD-Kreisrat Ingo Hahn. Unger kritisierte einmal mehr die Ausgaben von etwa 1,5 Millionen Euro für die Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung, denn er ist der Ansicht, dass die Entwicklung weiterer Gewerbegebiete nicht nötig sei. Hahn nannte die vorgesehene Neuverschuldung "völlig inakzeptabel" und wandte sich gegen die Ausgaben für Asylbewerber; in dem Zusammenhang sprach er von "Streichposten".

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