Süddeutsche Zeitung

Kunstaktion im Starnberger See:Haus im See

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Mit seinem "Space Ship" im Starnberger See will ein Installationskünstler eine Lösung für Probleme des Klimawandels aufzeigen.

Von Katja Sebald, Bernried

Langsam kommt das schwimmende Kunstwerk aus dem Bernrieder Yachthafen und nähert sich dem Steg vor dem Buchheim-Museum. Sechzehn alte Ölfässer tragen die luftige Konstruktion auf hohen Stelzen und dienen gleichzeitig als Schwimmer. Ein wenig erinnert das Ganze an einen Jägerstand oder einen Bademeisterturm. Glaubt man dem Künstler Markus Heinsdorff, dann ist dieses filigrane Gebäude komplett autark und ermöglicht ein Überleben in Überschwemmungsgebieten. Den Beweis muss er erst noch antreten. Am Sonntagnachmittag ist sein "Space Ship" im flachen Uferwasser vor dem Buchheim-Museum in Bernried vor Anker gegangen. An allen Wochenenden im August kann man Heinsdorff besuchen, wenn er es symbolisch bewohnen wird.

Der 1954 geborene Markus Heinsdorff ist in Irschenhausen aufgewachsen und lebt in München. Nach einer Ausbildung zum Goldschmied studierte er an der Münchner Akademie Bildhauerei bei Robert Jacobsen. Als Installationskünstler hat er sich international einen Namen gemacht. Natur und Raum sind die zentralen Themen seiner Kunst, die er ganz in den Dienst von sozialen Projekten und Umweltschutz gestellt hat. 2010 entwarf er das deutsch-chinesische Haus für die Expo Shanghai und 2015 baute er einen "Ocean Dome" in Kapstadt, der ganz aus am Strand gesammeltem Plastikmüll besteht. Für seine Arbeit wurde Heinsdorff unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Und jetzt also das "Space Ship". Bereits 2016 hatte er es als Raumkunstwerk vor der Pinakothek der Moderne aufgebaut. Jetzt hat er es zum schwimmenden "Selbstversorgerhof auf Kufen" weiterentwickelt. Auf der unteren Etage gibt es eine Art Werkbank mit einem Gaskocher und eine Solardusche. Die obere Etage soll Aussichtsplattform und Wohnraum sein, hier gibt es auch einen Schreibplatz. Im Schlepptau hat das "Space Ship" einen schwimmenden Gemüsegarten, in dem Salat und Kohl wachsen sollen. Für Besucher will Heinsdorff Pfefferminztee aus eigenem Anbau kochen.

Aber natürlich geht es dem Künstler um viel mehr: Das Leichtbauobjekt will er als Denkanstoß in Zeiten des Klimawandels verstanden wissen. Als nächstes soll es als schwimmende Stadt bei einem Projekt in Nordthailand zum Einsatz kommen. Mit seiner Low-Cost-Architekturinstallation will Heinsdorff demonstrieren, wie man mit einfachsten Mitteln günstigen Wohnraum schaffen und Menschen in Katastrophengebieten helfen könnte.

Alle verwendeten Materialien kommen aus dem Baumarkt und lassen diverse Kombinations- und Ausbaumöglichkeiten zu. Die Grundkonstruktion besteht aus handelsüblichen Trockenbauprofilen. Da das "Space Ship" zerlegbar, leicht und damit mobil ist, könnte es seiner Meinung nach beispielsweise in Überschwemmungsgebieten zum Einsatz kommen. "Anstatt Häuser vor eindringendem Wasser schützen zu wollen, könnte man sie einfach aufschwimmen lassen", so seine Idee. Entwickelt wurde das "Space Ship" in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München, wo Heinsdorff sich in einem Forschungslabor mit Wissenschaftlern austauscht. "Diese Teamarbeit ist mir wichtig", betont er. Auch beim Gemüseanbau habe er sich beraten lassen: "Ich glaube, ich selbst bin kein guter Gärtner. Ich sehe den Gemüsegarten als kleines Kunstforschungsprojekt."

Wichtig sei ihm jedoch auch die Ästhetik seiner Installationen: Das "Space Ship" sei in erster Linie eine Skulptur, aber eben eine mit praktischem Nutzen. Das Team des Buchheim-Museums hat Heinsdorff jedenfalls mit seiner Begeisterung "ins Boot geholt": Museumsdirektor Daniel J. Schreiber habe sich "todesmutig" in das Projekt gestürzt, bedankte sich Heinsdorff am Sonntag. Auch bei den komplizierten Genehmigungsverfahren habe er ihn unterstützt. Mehrere technische Mitarbeiter des Museums waren beim Bau des schwimmenden Kunstwerks beteiligt und auch die Organisation mitsamt Ruderboot-Shuttle und Rudereinsatz des Hausmeisters bei der Eröffnung hat das Museum übernommen.

Das "Space Ship" liegt bis 6. Oktober vor dem Buchheim Museum vor Anker. Interessierte können den Künstler an den August-Wochenenden jeweils von 13 bis 17 Uhr auf seinem Raumschiff besuchen, ein Ruderboot-Shuttle steht am Ufer bereit.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2018
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