Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Gesunde Esche soll gefällt werden

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Weil der Baum in der Kraillinger Ortsmitte einer Baumaßnahme im Weg ist, soll er verschwinden. Die Grünen sind empört.

Von Carolin Fries, Krailling

Schon wieder ein gesunder Baum, schon wieder in der Ortsmitte, schon wieder will es niemand kommen gesehen haben. Am Dienstag soll im Zentrum von Krailling eine große Esche zwischen Paulhan-Platz und VR-Bank gefällt werden. Erst vor wenigen Wochen hatte ein Bagger bei Bauarbeiten eine alte Linde in der Nähe so stark beschädigt, dass fraglich ist, ob der Baum überleben wird. Entsprechend groß ist die Aufregung in der Bevölkerung. Schließlich hieß es eigentlich, der Paulhan-Platz sollte grün bleiben.

Die Fällung der Esche und die Ersatzpflanzung eines bereits kräftigen Bergahorns hat am vergangenen Dienstag mehrheitlich der Gemeinderat beschlossen. Die Verwaltung hatte eigens eine Sondersitzung anberaumt. "In der gegenwärtigen politischen Landschaft" sei es den Verantwortlichen im Rathaus schlicht "zu heiß" gewesen, eine Entscheidung auf dem kurzen Dienstweg zu treffen, sagt Bauamtsleiter Sebastian Beel.

Eigentlich war gar nicht vorgesehen, die Esche abzusägen. Der um den Paulhan-Platz geplante Weg zur Sanftl-Wiese liegt knapp zwei Meter daneben; da hatten die Planer keine Bedenken. Doch wie sich bei den ersten vorsichtigen Arbeiten mit einem Saugbagger herausstellte, wurzelt die Esche nicht nach Plan. Anstatt ihre Wurzeln in die Tiefe zu strecken, liegen diese lediglich knapp einen halben Meter unter der Erde.

Für die Grünen in Krailling ist klar: Dann muss man an dieser Stelle eben neu planen, damit der Baum erhalten werden kann. Manchmal erforderten Bürgernähe und Klimaschutz "halt etwas komplizierte Lösungen", meint die Grünen-Gemeinderätin Andrea Schulte-Krauss. Die geplante Fällung sei jedenfalls "sowohl politisch als auch ökologisch ein Unding". Den Kraillingern habe man nämlich einen grünen Paulhan-Platz versprochen, "und nun wird es immer grauer, je weiter die Planung fortschreitet". Tatsächlich hatten speziell die geplanten Veränderungen am Paulhan-Platz das Großprojekt zur Umgestaltung der Ortsmitte immer wieder gefährdet. Ein Bürgerbegehren zum Erhalt des Platze als Grünfläche scheiterte alleine aus formalen Gründen.

Bauamtsleiter Beel sagt, er könne beide Seiten verstehen: Diejenigen, die den Baum retten wollen als auch diejenigen, die an der Planung als stimmiges Konzept festhalten wollen. Letztere vielleicht ein kleines bisschen mehr. Denn womöglich würde die Esche ohnehin bald vom grassierenden Eschentriebsterben zerstört und damit wäre der ganze Aufwand umsonst. Das sieht Gemeinderätin Schulte-Krauss ganz anders: "Der Baum ist gerade deshalb eine Seltenheit in Krailling und womöglich recht resistent gegen diese Krankheit." Der Grünen-Ortsverband und die Ortsgruppe des Bundes Naturschutz haben darum einen Eilantrag gestellt, die Fällung noch einmal zu prüfen unter Einbeziehung alternativer Lösungen.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen. "Der Gemeinderat hat sich umfassend mit der Angelegenheit befasst und eine Entscheidung getroffen", erklärt Beel. Nur weil diese manchen nicht passe, könne man nicht erneut über die Fällung abstimmen lassen. Er mahnt zur Geduld und verspricht einen "wirklich schönen und auch grünen Paulhan-Platz", auch wenn es momentan mehr nach Pflasterwüste aussehe. Mitte November würden sechs Platanen geliefert, jede acht Meter hoch und fünf Tonnen schwer. Zudem würden auf dem Paulhan-Platz, der mit Schotterrasen begrünt wird, neben dem Bergahorn als Eschenersatz vier weitere Bäume gepflanzt sowie zusätzliche 13 an der Margaretenstraße in Richtung Planegg. "Viel grüner geht's gar nicht", findet Beel.

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SZ vom 25.10.2021
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