Süddeutsche Zeitung

Konzert:Von musikalischen Tieren und einem Ohrwurm

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"Spass mit Musik von Erik Satie" heißt es beim Kinderkonzert der Münchner Philharmoniker in der Aula des Gilchinger Christoph-Probst-Gymnasiums. Die Inszenierung regt die jungen Besucher wie ein gutes Kasperletheater zum Mitmachen an

Von Patrizia Steipe, Gilching

"Das Auge isst mit" heißt es passenderweise, wenn es um das appetitliche Anrichten von Speisen geht. Auf klassische Musik umgemünzt könnte es heißen: "Das Auge hört mit". Längst haben die Kinderkonzerte der Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Heinrich Klug Kultcharakter. Sie sprechen alle Sinne an und regen, so wie in einem guten Kasperletheater, immer wieder zum Mitmachen an.

Dieses Mal erweckte Klug den französischen Komponisten Erik Satie (1866-1925) zum Leben. Bei der Generalprobe des Stücks "Spaß mit Musik von Erik Satie" in der Gilchinger Aula des Christoph-Probst-Gymnasiums bekam das Publikum eine kunterbunte Mischung aus virtuoser Musik, Slapstick, Ballett und Zirkus präsentiert, bei der schon mal riesige bunte Luftballons ins Publikum geworfen und mit Alltagsgegenständen musiziert wurden. Der kauzige Musiker Erik Satie erschien sogar leibhaftig (humorvoll gespielt von Salome Kammer) auf der Bühne, um dem Publikum und vor allem den kleinen Zuhörern ein paar seiner valentinesken Lebensweisheiten mitzugeben. Zum Beispiel, dass es sinnvoller sei, auf das durchaus musikalische Muhen, Wiehern und Krächzen der Tiere zu hören, als viel Geld für einen Klavierlehrer auszugeben. Dazwischen intonierte das Mini-Orchester (Clément Courtim, Violine; Oliver Klenk, Klarinette; Mathias Fischer, Posaune; Heinrich Klug, Klavier und die beiden jugendlichen Virtuosen Raphael Oetiker, Schlagzeug und Marimbaphon sowie Mariclara Ruiz Neudauer, Klavier) immer wieder eine kleine Melodie. "Wir hören heute Musik von Erik Satie" sang das Publikum dazu - nachdrücklich aufgefordert von Heinrich Klug. Am Schluss war daraus ein richtiger Ohrwurm geworden, der von manchem noch auf dem Nachhauseweg geträllert wurde.

Neben den Musikern begeisterten auch die Balletttänzerinnen der Musikschule Gilching. Choreografin Hannelore Husemann-Sieber hatte mit den Mädchen ausdrucksvolle Tänze einstudiert. Bei den sieben Stücken "Le Piège de Méduse" und den 20 clownesk-fröhlichen aus "Sports et Divertissements" standen bei den sieben Elevinnen kindlich-natürliches Springen und Tanzen im Vordergrund. Viel Applaus gab es für die Ballerinas für ihre anmutigen Präsentationen einer Schlittenfahrt, eines Pferderennens oder eines Tintenfisches, der eine Krabbe verspeist.

Es gibt viel zu bestaunen beim Kinderkonzert in Gilching: Tänzerinnen mit Riesenluftballons,...

...einen Elefanten...

...und Erik Satie (Salome Kammer) im Gespräch mit Heinrich Klug.

Nach der Pause ging es in den Zirkus. Erik Saties "Parade" mit den Auftritten einer Akrobatin (viel Applaus bekam Elena Engelhardt für ihre Gelenkigkeit), Clowns, eines Zauberers, der Diva und dem hinreißenden Elefanten hatten bei der Uraufführung in Paris 1917 zu einem Theaterskandal geführt. Den Kritikern missfielen unseriöse Instrumente wie Schläuche oder Blechdeckel. "Der unharmonische Clown Erik Satie hat seine Musik aus Schreibmaschinen und Rasseln komponiert. Sein Komplize, der Stümper Picasso (Pablo Picasso hatte das Bühnenbild geschrieben, die Red.), spekuliert auf die nie endende Dummheit der Menschen", schrieb ein Kritiker. Heinrich Klug zitierte die Antwort des gekränkten Komponisten: "Sie sind nur ein Arsch, aber ein Arsch ohne Musik". Für diese deftigen Worte erntete Klug großes Gekicher von den Kindern.

Ihre künstlerische Vielfältigkeit bewies Salome Kammer, als sie aus ihrer Rolle des Erik Satie in die der Sängerin Paulette Darty schlüpfte. Für die Anfang des 20. Jahrhunderts beliebte Chansonnette hatte Satie die "Café-Concert-Lieder" geschrieben, die Kammer leidenschaftlich und mit großer Leichtigkeit intonierte.

Heinrich Klug, langjähriger 1. Solocellist der Münchner Philharmoniker, leitet seit 1977 die Kinderkonzerte. Für das nächste Jahr hat der 1935 Geborene seinen Abschied mit Antonio Vivaldis "Jahreszeiten" angekündigt. Heuer tourt er aber noch mit "Erik Satie" durch's Oberland.

Weitere Aufführungen im Landkreis Starnberg sind am 5. Februar, um 14 und 16 Uhr im Haus der bayerischen Landwirtschaft, Herrsching, Riederstr. 70, und am 19. Februar, 16 Uhr, im Gautinger Bosco

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SZ vom 01.02.2022
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