Süddeutsche Zeitung

Betreuung:Kleine Kinder, große Sorgen

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Der Fachkräftemangel in Kitas stellt Eltern vor Probleme und kommt Kommunen teuer zu stehen. Sofortlösungen sind aber nicht in Sicht, so das Ergebnis eines Krisengesprächs zwischen Bürgermeistern und Landrat Stefan Frey.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Der eklatante Fachkräftemangel bei der Kinderbetreuung stellt die Gemeinden im Landkreis Starnberg vor massive Probleme. In einem Krisengespräch versuchten der Bürgermeistersprecher und Pöckinger Rathauschef Rainer Schnitzler und sein Feldafinger Amtskollege Bernhard Sontheim, zusammen mit Landrat Stefan Frey zu einer Lösung zu kommen. Das Fazit: Solange der Markt für Betreuungspersonal leergefegt ist, laufen alle Anstrengungen ins Leere. Lösungen seien nur langfristig möglich.

Beispiel Feldafing: Gleich mehrere Stellen sind dort vakant. Vor dem Hintergrund, dass 18 Kinder für das kommende Kindergartenjahr keinen Platz bekommen könnten, wenn die Stellen unbesetzt bleiben, schlug die Eltern-Beirätin Katrin Eckhold in der jüngsten Bürgerversammlung vor, höhere Löhne zu bezahlen. Die Eltern könnten die Mehrkosten übernehmen, bot sie an. In der Praxis liefe das auf eine Erhöhung der Kindergartengebühren hinaus. Ansonsten würde die Gemeinde ein hohes Defizit einfahren, wie dies in der Nachbargemeinde Pöcking schon das Fall ist. Dort hat der Gemeinderat die beabsichtigte Gebührenanpassung abgelehnt mit der Begründung, dass die Erhöhung wegen der aktuellen Preissteigerungen zur Unzeit käme.

Die Pöckinger hatten ebenfalls nach einer neuen Mitarbeiterin für den Gemeindekindergarten gesucht. Obwohl sie sogar eine günstige Wohnung in Aussicht stellten, meldete sich monatelang niemand auf die Stellenanzeige. Dann hatten sie endlich Glück - und konnten die freie Stelle mit einer Erzieherin aus der Region besetzen, die auf das Wohnungsangebot gar nicht zurückgriff. Doch Gemeindeleiter Sven Neumann ist klar, dass dadurch das Problem nur verlagert werde. Pöcking habe die freie Stelle nur auf Kosten jener Gemeinde besetzen können, bei der die neue Erzieherin gekündigt habe.

In Pöcking versucht man auch selbst Nachwuchs zu generieren, beispielsweise indem regelmäßig Praktikumsstellen angeboten werden. Doch interessierte Quereinsteiger hätten es schwer, sagt Schnitzler. Dem Bürgermeistersprecher ist der Fall einer Kinderpsychologin bekannt, die sich für eine Erzieherinnenstelle interessiert habe. Ihre Ausbildung sei aber nicht anerkannt worden. "Die große Politik redet sich einfach. Sie schafft einen Rechtsanspruch und neue Standards, aber die Rahmenbedingungen werden nicht geliefert", ärgert sich der Rathauschef.

Schnitzler zufolge müssen laut den Vorgaben der Regierung mehr als 50 Prozent der Betreuungsstellen mit Fachkräften besetzt sein. "Wenn zwei Fachkräfte kündigen oder eine schwanger wird, können wir den Personalschlüssel nicht mehr erfüllen." Dann werde die gesamte Förderung gestrichen. Wie er vorrechnet, würde dadurch beispielsweise beim Gemeindekindergarten eine monatliche Förderung von 40 000 Euro wegfallen. Seiner Ansicht nach könnte die Zulassung ausländischer Berufsabschlüsse eine Lösung sein oder eine verkürzte Ausbildung. "Doch das Bohren dicker Bretter kann sehr langfristig sein," ist Schnitzler überzeugt.

Landrat Stefan Frey hat dabei seine Unterstützung zugesagt, er will das Sozialministerium erneut auf die besondere Situation im Ballungsgebiet rund um München hinweisen. Seiner Meinung nach müssten der Personalschlüssel geändert und bei den Vorgaben für Quereinsteiger neue Berufsgruppen anerkannt werden. Bisher müsse man sich freilich mit Notlösungen begnügen, so Frey. Daher versuche seine Behörde die Vorgaben "im Rahmen dessen, was möglich ist", großzügig auszulegen. "Mein Wunsch ist ein niederschwelliges Angebot. Bei strittigen Fällen entscheide ich gerne mit", verspricht er. Mit Blick darauf, dass der Fachkräftemangel durch die Ukrainekinder, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, noch verstärkt wird, könnte er sich durchaus vorstellen, dass "die Mami oder die Nachbarin, die ukrainisch spricht" als Ergänzungskraft eingesetzt werde.

Sontheim ist ebenfalls davon überzeugt, dass das Problem nur langfristig gelöst werden kann. Seine positive Bilanz nach dem Gespräch mit dem Landrat ist, dass Feldafing nicht allein gelassen werde. Er stehe mit dem BRK, dem Träger des Kindergartens, im engen Kontakt und sei zuversichtlich, dass zumindest die Stelle der Leiterin besetzt werden kann. "Das BRK ist extrem aktiv", betont Sontheim.

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