Süddeutsche Zeitung

Coronavirus im Landkreis Starnberg:Plötzlich Schockstarre

Lesezeit: 2 min

Die Unternehmer Tobias Körber und Oliver Lembke trieb die Pandemie finanziell an ihre Grenzen. Noch immer kämpfen sie mit den wirtschaftlichen Folgen.

Von Carolin Fries, Gilching

Eineinhalb Jahre hatte Tobias Körber alles vorbereitet, dann sollte es endlich losgehen: Am 15. März 2020 eröffnete der 44-Jährige im Gilchinger Gewerbepark sein Gesundheitsstudio "Exco". Tags darauf musste er es wieder zusperren - Lockdown. Eben noch war der Münchner voller Vorfreude, Tatendrang und Zuversicht gewesen, jetzt war er in "absoluter Schockstarre", wie er erzählt.

Wie lange sollte das dauern? Woher sollte das Geld kommen, um die Mietkosten, die Leasing-Gebühren für die Fitnessgeräte und die Gehälter der Mitarbeiter zu bezahlen? Körbers Problem: Er konnte keine Corona-Hilfen beantragen, weil ihm kein Gewinn wegbrach. Er hatte schließlich noch gar keinen gemacht. Bis heute kämpft der Sportwissenschaftler mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Und er ist nicht der Einzige.

Ganze Branchen haben die Corona-Jahre nachhaltig geprägt und verändert. Gastronomie, Fitness- und Veranstaltungssektor trafen die Einschränkungen in besonderem Maße. Immer wieder waren sie gezwungen, zu schließen oder ihr Angebot auf Liefer- und Onlineformate umzustellen. Tobias Körber überlegte zwischendurch, sein Studio in eine medizinische Einrichtung auszubauen, weil diese von den Einschränkungen ausgenommen waren. Doch eigentlich wollte er doch all jenen mit seinem ganzheitlichen Training helfen, die Verspannungen und Schmerzen haben und nicht so recht wissen, welche Bewegungen helfen und welcher Sport gegen die Beschwerden hilft. "Ich hatte ja einen Plan", sagt er. Auch wenn ihn die Pandemie mehr als nur durchkreuzt hat. Er finanzierte also nach, ein Insolvenzberater unterstützte ihn. Die Kredite liegen jetzt knapp über der Millionengrenze. "Ich bin auf diesem Weg losgegangen", sagt Körber. "Ich kann nicht anders".

Auch Oliver Lembke hat nicht aufgegeben. Der 50-Jährige leitet nicht weit von Körbers Gesundheitsstudio entfernt die Veranstaltungsfirma "Limelight" in Gilching. Durchschnittlich 500 Projekte jährlich verbuchte das Unternehmen vor der Pandemie, im Frühjahr 2020 waren es dann von einem auf den anderen Tag weniger als 100.

Lembke und seine knapp 50 Mitarbeiter boten sofort hybride Veranstaltungen an und richteten eine Art Fernsehstudio für Übertragungen ein, das Firmen nutzen können. Doch die Nachfrage war gering. "Richtig gewollt hat das ja niemand", sagt Lembke. Auch er schickte seine Mitarbeiter in Kurzarbeit, beantragte Hilfen, vernetzt sich mit anderen Betroffenen. Er überlegte, die Mitarbeiter zu entlassen und die Firma einfach zuzusperren für die Dauer der Pandemie, wie manch anderer Kollege. Doch dann hatte er eine andere Idee.

Lembke gründete eine neue Firma und verkauft Luftfilter

Lembke gründete eine neue Firma, "Limelight Innovations". Seitdem verkauft er auch Luftfilter auf UVC-Basis für Büros und Diskotheken. "Letztlich wollten wir damit unserer eigenen Branche helfen". Sie waren nicht die einzigen mit dieser Idee und hatten auch in diesem Bereich mit scheinbar willkürlichen Regeln der Regierung zu kämpfen - doch sie schafften es, zu überleben. Im Nachhinein ist Lemke froh, die Firma die Jahre zuvor finanziell neu strukturiert zu haben. "Das Finanzsystem hatte ich zum Glück im Griff".

Jetzt ist er gespannt, wie sich das Jahr 2023 entwickeln wird - der Start war zögerlich. Wird es heuer wieder große Messen, Firmenevents und Veranstaltungen geben? Lembke kann nur hoffen. Über sein neues Unternehmen plant er parallel, ein Software-Produkt zu vermarkten. Die Nachfrage nach Luftfiltern sei freilich komplett eingebrochen. Aber er sei pragmatisch. "Es hilft nichts, gegen die Welle anzuschwimmen. Man muss sie reiten."

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