Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Mein kleines Museum - Sammler und ihre Schätze:Heilige Kanne!

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Ulrike Ertsey sammelt Teekannen, ihr Mann Andreas VW-Käfer-Modelle. Was dem Gautinger Ehepaar noch fehlt? Eine Kanne im Format des Kult-Autos.

Von Carolin Fries, Gauting

Eigentlich war klar, dass es so kommen musste. Denn Ulrike und Andreas Ertsey sind ihren Leidenschaften so früh im Leben begegnet, dass es gar keine bewusste Entscheidung war, die sie da trafen. Es hat sich vielmehr entwickelt und plötzlich stellten sie fest: Da haben wir wohl mehr davon als der Durchschnitt. Nun, und das war ihnen auch ganz recht, denn Durchschnitt kann schließlich jeder. Nun sammelt Ulrike Ertsey Teekannen. Und ihr Mann Andreas VW-Käfer-Modelle. Und es stört sie kein bisschen, dass der jeweils andere irgendwelche Trümmer in Schränken und Vitrinen verstauben lässt. Vielmehr gibt es da eine stille Bewunderung für den Spleen des Partners. Das ist das Allerschönste an diesem Sammler-Ehepaar aus Gauting.

Wenn man so will, war der Tee zuerst da. Ulrike Ertsey, 62, mag keinen Kaffee, "ist einfach so". Also brüht Andreas Ertsey jeden Morgen eine Kanne Darjeeling auf, "die ersten Tassen trinken wir noch vor dem Frühstück im Bett", sagt der 65-Jährige. Seit drei Jahren ist er im Ruhestand, jetzt hat der frühere Immobilienmanager Zeit. Zum Frühstück gibt es die zweite Kanne, nachmittags dann Earl Grey, abends Früchtetee. Sie mögen grundsätzlich alle unparfümierten Sorten, nur der Rooibos schmeckt beiden nicht. Sie kennen sich seit der Schulzeit, machten gemeinsam in München Abitur. Im Studium haben sie sich ihre erste Teekanne gekauft, eine schwarze Zen-Kanne von Colani für etwa 80 Mark. "Die haben wir uns regelrecht vom Mund abgespart", erinnert sich Andreas Ertsey.

Erst knapp zehn Jahre später ist es dann weitergegangen mit einer klassischen Kugelkanne, wie sie WMF und Bauscher produzierten. Bei den Ertseys ist es "die heilige Teekanne". Denn selbst die damals kleinen Kinder wussten: Alles mögliche Geschirr darf runterfallen und kaputt gehen - nur die heilige Teekanne nicht. Inzwischen stehen knapp 60 Teekannen auf einem Regal und in einem Vitrinenschrank in der Küche, darunter mehrere Kugelkannen. Die meisten Kannen sind Allrounder, andere kommen ausschließlich für Pfefferminz-, schwarzen oder grünen Tee in Frage. Die, die ständig in Benutzung sind, werden nur selten ausgespült - so schmecke der Tee besser.

Die VW-Käfer-Sammlung von Andreas Ertsey zählt wohl zu den fünf größten in Deutschland

Ulrike Ertsey stöbert kaum nach Modellen, nur das türkisfarbene Service hat sie für einen Euro auf Ebay ersteigert. Und die mit Drachen verzierte "Großindustriellen-Kanne" - die so heißt, weil es im Internet hieß, sie stamme aus einem Großindustriellen-Haushalt. Die meisten Kannen würden ganz von alleine zu ihr finden. Schließlich wissen alle in der Verwandtschaft sowie Freunde und Bekannte Bescheid. So war auch das Schreibtisch-Service mit Milchkännchen und Zuckerdose ein Geschenk. Inzwischen hat Ulrike Ertsey sogar eine Teekannen-Lampe, ein Vogelhaus in Teekannen-Form und eine Handtasche, die aussieht wie eine überdimensionierte Teekanne.

Andreas Ertsey schaut da schon regelmäßiger und gezielter nach, was es so alles gibt. Er sammelt VW-Käfer-Modelle, mit etwa 2000 Exponaten gehöre seine Sammlung zu den fünf größten in Deutschland, sagt er. In seinem Büro gibt es kaum einen Käfer-freien Zentimeter. Die Mini-Autos stehen dicht an dicht in gläsernen Vitrinen. Die kleinsten sind kaum größer als ein Stecknadelkopf, die größten sind so groß wie Spielzeugpuppen. Und alle haben sie ihre eigene Geschichte. Der blaue, blecherne Käfer etwa, den Ertsey fürs Foto in die Hand nimmt, ist der "Urlaubskäfer".

Er fand ihn vor vielen Jahren in einem Ein-Euro-Laden an der österreichisch-ungarischen Grenze, als er mit seiner Frau zum ersten gemeinsamen Urlaub an den Plattensee unterwegs war. Von besonderer Bedeutung ist ihm auch jenes Modell, dass er zum 50. Geburtstag von seiner Schwägerin geschenkt bekommen hat. "Der Legende nach hat sie es in Rom aus einem Restaurant gestohlen." Und den großen, schweren Spiegel, der über dem Schreibtisch hängt, hat ihr Bruder einst aus Portugal mitgebracht - im Handgepäck.

Losgegangen ist das alles, da hatte Ertsey gerade sein Abitur in der Tasche. Da sah er in München einen schwarzen VW Käfer mit einem Verkaufsschild am Straßenstrand stehen. Die 1000 Mark hatte er innerhalb weniger Tage zusammengetragen. Der sogenannte Oval-Käfer, Baujahr 1954, ist seither "ein Familienmitglied, das in der Garage wohnt". Mindestens einmal im Jahr unternehmen die Ertseys zusammen mit befreundeten Oldtimer-Liebhabern eine mehrtägige Ausfahrt. Ihr Käfer hat dann zwar mit 30 PS den mit Abstand schwächsten Motor - egal, dann müssen die Porsches, BMWs und Mercedes der anderen eben mal warten. Inzwischen steht in der Garage übrigens noch ein zweiter Käfer - ein kleines Tretauto für den vier Jahre alten Enkelsohn Philipp.

Philipp darf auch mit einem Teil der Modell-Sammlung im Arbeitszimmer spielen, da ist Andreas Ertsey relativ unempfindlich. Er selbst fasst sie kaum an, "ich bewundere sie eher". VW-Käfer mit Schokolade gefüllt oder Haarwasser, als Feuerzeuge, Salzstreuer, Christbaum-Anhänger oder Radios, in Kerzenform oder als winzige, blinkende Disko-Maschinen.

Für keines der Auto-Modelle habe er mehr als 50 Euro gezahlt, sagt er, das sei immer seine Schmerzgrenze gewesen. Manche seien freilich viel mehr wert. Einmal im Jahr staubt er seine Sammlung ab, zwei Tage ist er dann beschäftigt. Wenn Andreas Ertsey ehrlich ist, hat er den Überblick verloren, welche Autos er alle schon hat. Er ist gerade dabei, eine Datenbank anzulegen. Welches Modell ihm noch fehlt? Das könne er nicht sagen, "ich bin selbst immer wieder überrascht, was es alles gibt". Einig sind sich die Ertseys aber, dass ihnen eine Teekanne im VW-Käfer-Format fehlt. "Dann würden wir die Sammlungen als vollendet beschließen", sagt Ulrike Ertsey.

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