Süddeutsche Zeitung

Feldafing:Täglicher Kampf mit Hindernissen

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SPD-Gemeinderatskandidat Nico Wunderle ist Rollstuhlfahrer und zeigt seinen Parteifreunden, wie sein Alltag aussieht

Von Michael Berzl, Feldafing

Als Nico Wunderle beim Rathaus in Feldafing den Bus zum Bahnhof nimmt, muss der Fahrer erst einmal eine Kombizange hervorkramen. Damit bekommt er den Griff an einer Metallplatte zu fassen, die sich ausklappen lässt, so dass eine einfache Zufahrtsrampe entsteht. Und Wunderle kann mit seinem Rollstuhl zusteigen. Es ist nur eines von mehreren Hindernissen, das an diesem Dienstag zu überwinden ist. Am Bahnhof in Feldafing wird der SPD-Gemeinderatskandidat von seinen Parteifreunden in die S-Bahn gehievt, in Pöcking mit einem Kran sogar auf einen Traktor-Anhänger gehoben. Aber diese Aktion ist doch mehr dem Showeffekt geschuldet als eine echte Notwendigkeit.

Wunderle kennt die vielen kleinen und großen Hindernisse, mit denen jeder zu kämpfen hat, der in seiner Mobilität eingeschränkt ist, sehr gut, denn der Pöckinger ist seit seiner Geburt auf einen Rollstuhl angewiesen. Täglich macht sich der Sozialpädagoge von seiner Wohnung am Lindenberg mit Bus und Bahn auf den Weg in seine Arbeit beim Bezirksjugendring in München. In Possenhofen kommt er ohne fremde Hilfe auf den Bahnsteig, denn dort gibt es seit einer umfassenden Sanierung einen Aufzug. Feldafing hingegen gehört noch zu den Haltestellen, an denen der Bahnsteig so tief liegt, dass ein erheblicher Höhenunterschied zum Zugabteil zu überwinden ist. Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, wendet sich in dem Fall üblicherweise an den Zugführer, der dann an der Tür im vorderen Abteil eine Zugangsrampe ausklappt. Diesmal packen Wunderles Begleiter einfach selbst an.

Um in Zeiten des Wahlkampfs auf das Thema Barrierefreiheit aufmerksam zu machen, hat eine Gruppe SPD-Politiker am Dienstagvormittag den Pöckinger Ortsvereinsvorsitzenden bei einem kleinen Ausflug mit seinem Rollstuhl begleitet. Mit dabei waren der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn, die Landratskandidatin Christiane Kern, Bürgermeisterkandidat Jakob Stillmark und Gemeinderatskandidat Christian Hörndl sowie die Kreisrätin Elisabeth Fuchsenberger aus Berg. Das Hauptanliegen der Exkursion bestand darin, zu zeigen, welche Schwierigkeiten der Rollstuhlfahrer Wunderle auf diesem Weg hat. Systematisch werden solche Problemstellen auch bei Rundgängen erkundet, die eine Fachstelle im Landratsamt schon in mehreren Orten organisiert hat.

Den SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn aus Sendling hat vor allem beeindruckt, "an wie vielen Ecken und Enden die Barrierefreiheit noch nicht funktioniert", wie er nach seinem Ausflug an den Starnberger See sagte. Das können auch Kleinigkeiten sein. Gleich gegenüber dem Treffpunkt auf dem Kirchplatz in Feldafing befindet sich vor einer Konditorei ein Gehsteig, doch der sei an einer Stelle so schmal, dass ein Rollstuhl dort gar nicht fahren kann. "Da wäre in Feldafing noch einiges zu tun", meint auch Bürgermeisterkandidat Stillmark. Er nennt als Beispiel einen Weg zu einem Supermarkt, der mit einem Kopfsteinpflaster versehen ist und so nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern auch für ältere Menschen, die einen Rollator als Gehhilfe benutzen, zu einem echten Hindernis geworden ist. Die Folge: Viele weichen auf die Straße aus.

Nico Wunderle kommt meist gut zurecht - wenn ein Bus fährt. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sei im Landkreis Starnberg zwar schon gut voran gekommen, räumt er ein. Spät am Abend oder am Wochenende könnten die Verbindungen aber noch besser sein, moniert er. Die etwa einen Kilometer lange Strecke vom Bahnhof Possenhofen bis hinauf zum Lindenberg ist im Rollstuhl kaum zu bewältigen; dafür sei der Weg zu steil. Da ist Wunderle noch manchmal darauf angewiesen, sich mit dem Auto abholen zu lassen.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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