Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Ein Visum für den Biergarten

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Wer im Kloster Andechs ins "Bräustüberl" will, muss sich ausweisen. Wirt Josef Eckl will damit sicherstellen, dass die Besucher keine falschen Angaben bei den Kontaktdaten machen.

Von Astrid Becker, Andechs

Es soll ja Menschen geben, die sich Anton Gruber nennen, obwohl sie Horst Meier heißen - und zwar just dann, wenn sie beschließen, mal wieder eine Gaststätte aufzusuchen. Kaum werden sie pflichtgemäß von Wirt oder Servicepersonal aufgefordert, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen, strotzen solche Menschen vor Fantasie und legen sich ganz schnell neue Identitäten zu, um Corona-Kalamitäten zu umgehen. Im "Bräustüberl" mit Biergarten im Kloster Andechs hätten sie damit allerdings keine Chance: Hier muss jeder Gast belegen, dass er auch wirklich derjenige ist, den er zu sein vorgibt. Mit einem Dokument seiner Wahl - etwa mit dem Ausweis, mit dem Führerschein oder auch mit einer Bankkarte.

Seit der Wiedereröffnung des beliebten Treffpunkts von Einheimischen, Pilgern und Touristen am 18. Mai gehen das Kloster und sein Wirt Josef Eckl schon diesen Weg. "Wir wollten einfach unseren Beitrag dazu leisten, dass Infektionsketten lückenlos nachvollzogen werden können - aus Sorge um unsere Gäste, aber auch um unsere Mitarbeiter", wie der Pressesprecher des Klosters, Martin Glaab, sagt. Das "Bräustüberl" dürfte mit diesem Konzept recht einzigartig sein, auch wenn dort Wert darauf gelegt wird, dass keine Ausweispflicht besteht, "das wäre eine hoheitliche Aufgabe der Polizei", so Glaab. Das Konzept sei aber mit allen zuständigen Behörden abgestimmt: "Wir müssen alle zusammenhelfen, um das Virus einzudämmen", sagt der Sprecher. "Nochmals acht Wochen oder länger schließen zu müssen, das braucht keiner, auch wir im Bräustüberl nicht."

Probleme mit Gästen gebe es deswegen kaum, erzählt Eckl, der beim Kloster als Hauptbereichsleiter für das Andechser Bräustüberl angestellt ist. Im Gegenteil. "Das Feedback ist durchweg positiv, viele Gäste sagen: Zu Euch kommen wir gern, denn da fühlen wir uns sicher." Der Aufwand, der auf dem Heiligen Berg dafür betrieben wird, ist allerdings ziemlich hoch. Das fängt bereits beim zusätzlichen Personal an, das bezahlt werden muss. "Wo wir vor Corona einen Menschen beschäftigt haben, brauchen wir heute mindestens zwei." Zum Beispiel in der Frühschicht: "Weil ja alles täglich erneuert werden muss."

Und dann sind da auch noch die vielen Sicherheitskräfte, die nun eingesetzt werden. Denn wer den Heiligen Berg erklimmt, bekommt von einer Sicherheitskraft ein Formular und Kugelschreiber ausgehändigt. Der Gast muss dort Namen, Telefonnummer und geschätzte Aufenthaltsdauer angeben. Die Stifte landen anschließend sofort in einem Behälter mit Desinfektionsmittel. Am Ende der Stufen, also ganz oben im Eingangsbereich zu den Biergärten, Terrassen und Gasträumen des Bräustüberls, ist noch einmal Personal postiert, das die Formulare einsammelt und um ein Dokument bittet, mit dem die Gäste ihre Angaben belegen können. Die Daten der Gäste landen dann in "Safe Bags", wie Eckl sagt, nach Tag und Zeit sortiert. "Damit wir diese Bags dann bei Bedarf den Behörden zur Kontaktermittlung geben können." Nach vier Wochen werde alles geschreddert, sagt er. Das sei mühevoll, koste viele Nerven, sei aber nötig.

Vor allem bei schönem Wetter ist aber auch die Geduld der Gäste gefragt, denn das Prozedere führt schon mal zu längeren Menschenschlangen. Anstehen - im Mindestabstand von eineinhalb Metern - müssen die Gäste dann auch an der Schenke, wenn sie sich ihre Getränke abholen, und an der Essensausgabe. Auch hier gibt es ein ausgeklügeltes Wegekonzept: "Wir haben dafür extra einen externen Sicherheitsexperten engagiert", sagt Eckl. Denn komplett überarbeitet werden musste beispielsweise auch das Lüftungskonzept und der Brandschutz: "Weil man Türen schließt und eine andere Wegeführung hat." Das alles koste Geld bei weniger Umsatz. "Wir haben um fast die Hälfte weniger Plätze." Doch das lohne sich: "Wenn die Leute uns dafür loben, ist das nicht mit Geld aufzuwiegen." Und Lob für das Sicherheitskonzept gibt es nach seinen Aussagen jede Menge, Ärger damit praktisch keinen. Und wenn, so Glaab, "würden wir notfalls auch von unserem Hausrecht Gebrauch machen und Gäste abweisen". Zum Beispiel solche, die sich Anton Gruber nennen und Horst Meier heißen.

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SZ vom 30.07.2020
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