Süddeutsche Zeitung

Coronalage im Landkreis:Leere Kinosäle, abgesagte Theaterabende

Lesezeit: 3 min

Veranstalter müssen die 2-G-Plus-Regel anwenden, was für sie weitreichende finanzielle Folgen hat. "Unsere Situation ist dramatisch", klagt Breitwand-Betreiber Helwig. Aber: "Kino wird nicht untergehen"

Von Linus Freymark, Starnberg

Jetzt trifft es sie schon wieder. Als im März des vergangenen Jahres fast das ganze Land dicht machte, waren die Theater und Kinos mit die Letzten, die wieder aufmachen durften. Nach dem sogenannten Wellenbrecher-Lockdown im vergangenen November, der viel zu spät kam, um noch irgendwas zu brechen, das selbe Spiel. Die Kneipen durften immerhin draußen wieder öffnen, die Kinosäle blieben im Frühjahr leer.

Nun steht wieder ein Winter vor der Tür, der ähnlich düster zu werden droht wie der letzte, und während das Kölner Fußballstadion am vergangenen Wochenende vollgestopft wurde, sagen Kulturveranstalter im Landkreis Starnberg wie im restlichen Bayern auch gerade Vorstellung um Vorstellung ab. Der Grund sind die strengen Vorschriften, ins Theater dürfen trotz 2-G-Plus nur noch 25 Prozent der sonst zugelassenen Zuschauer in den Saal, für Kinos gilt dasselbe. "Unsere Situation ist dramatisch", sagt Matthias Helwig, der die drei Breitwand-Kinos in Seefeld, Starnberg und Herrsching betreibt. Schon die Reduzierung sowie die Einführung der 2-G-Regel habe dazu geführt, dass sich die Zuschauerzahlen halbiert hätten. 2-G-Plus war dann "der endgültige Niederschlag". Unter der Woche sitzen nun meistens nur fünf Leute im Saal, am Wochenende werden es vielleicht mal 20. Aber auch das rechnet sich natürlich nicht. "Ich bedanke mich bei jedem Menschen, der zur Zeit noch ins Kino geht", sagt Helwig. "Das treibt mich an, weiterzumachen." Es klingt wie ein Hilferuf. In die Verzweiflung mischt sich bei Helwig Wut auf die Politik, die wie so oft mal wieder Entscheidungen getroffen habe, die kaum etwas mit der Realität zu tun hätten. Zu kurzfristig, außerdem fehlten die logistischen Voraussetzungen. Denn wie sollen sich die Leute testen lassen, wenn es kaum Teststationen gibt, weil die meisten geschlossen haben, nachdem die Bürgertests Mitte Oktober nicht mehr kostenlos waren? "Das ist alles gar nicht möglich", sagt Helwig. Zudem gibt es vor den Kinos keine Testmöglichkeiten, den Umweg zur Teststation aber sei bei vielen potenziellen Besuchern zeitlich nicht drin.

Auch die Theater kämpfen mit den aktuellen Vorschriften. Für sie gelten die gleichen Regeln wie für Kinos. "Faktisch führt das dazu, dass kaum noch Veranstaltungen stattfinden", erzählt Amelie Krause vom Theaterforum Gauting. Krause und ihre Kollegen haben das Meiste abgesagt. Es lohnt sich einfach nicht, der Aufwand ist zu groß: Vor jeder Vorstellung Kontrolle der Impf- und Testnachweise. Hinzu kommt die Ungewissheit? Gehen die Leute zur Zeit überhaupt noch ins Theater? Oder sind Aufwand und Angst zu groß? "Vielen privaten Veranstaltern bricht das gerade das Genick", sagt Krause. Weil die gegenwärtigen Schließungen auch nicht offiziell staatlich verordnet sind, gibt es auch keine Unterstützung. Die finanzielle Situation wird auch noch einmal dadurch verschärft, dass viele Bühnen bereits Tickets vorab verkauft haben - allerdings zu einem Zeitpunkt, als man noch von einer höheren Auslastung ausging. Das bedeutet: viele Kartenkäufe müssen gerade rückabgewickelt und die Ticketpreise erstattet werden. Das bindet Ressourcen und kostet natürlich Geld, das man schon eingeplant hatte. Das Theaterforum Gauting steht noch einmal vor einer besonderen Situation: Als Verein bekommt es Förderungen, aber nur für Veranstaltungen, die auch wirklich stattgefunden haben. Weil aber für manche - inzwischen wieder abgesagte - Vorstellungen bereits Gelder geflossen sind, kann es sein, dass das Theaterforum wieder etwas zurückzahlen muss, aber so genau weiß auch Krause das gerade noch nicht. "Finanziell wissen wir überhaupt nicht, wo wir gerade stehen", sagt sie. Um besser auf die oft kurzfristigen Entscheidungen der Politik reagieren zu können, haben sie den Kartenvorverkauf für 2022 erst einmal ausgesetzt. Aber auch das löst längst nicht alle Probleme. Denn die Abonnements für das kommende Jahr sind längst verkauft - unter den derzeit geltenden Regelungen aber würde Krause nicht mal alle Abonnenten im Saal unterbringen. "Es ist unmöglich zu planen", meint sie. Das gilt auch für die Künstler: Für die meisten Veranstaltungen sucht Krause gerade Ersatztermine, die Künstler aber haben schon volle Kalender. Oder aber sie nehmen mittlerweile keine Termine mehr im Winter an, weil sie dann von strengeren Corona-Maßnahmen ausgehen müssen. "Es ist schwierig für uns alle", sagt Krause.

Etwas besser als Krause hat es Monika Rother erwischt, die unter dem Label "Monis Brettl" regelmäßig Kabarett-Vorstellungen im Gilchinger Gasthaus Widmann veranstaltet. Weil Rother ihre Gäste auch bewirtet, gelten für sie die gleichen Regeln wie für Restaurants: 2 G, Sperrstunde um 22 Uhr. Rother hat ihre Veranstaltungen deshalb um eine Stunde nach vorne verschoben, aber sie könnte ihren Laden noch voll machen - vorausgesetzt die Leute würden derzeit auch noch so zahlreich kommen wie in normalen Zeiten. "Es ist schon deutlich zurückgegangen", sagt Rother. Doch auch bei ihr ist der organisatorische Aufwand immens. Und auch die Planungsunsicherheit beschäftigt Rother. "Ich weiß nicht, was im Winter möglich sein wird", sagt sie. "Aber ich versuche trotzdem, nach vorne zu schauen, so gut das halt geht.

Doch der Optimismus ist längst nicht mehr überall so groß. "Die Zukunft wird düster", befürchtet Kinobetreiber Matthias Helwig. Trotzdem will er weitermachen, genau wie die meisten seiner Kollegen im Landkreis, die alle eine ähnlich große Filmleidenschaft haben wie er. "Kino wird nicht untergehen."

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Quelle:
SZ vom 06.12.2021
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