Süddeutsche Zeitung

Sozialprojekt im Landkreis Starnberg:Handwerken für eine gesunde Psyche

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Die Kreativwerkstatt "Bunter Hund" in Oberpfaffenhofen gibt Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Tagesstruktur. Und die gefertigten Kleidungsstücke, Perlenarmbänder, Anhänger, Karten und Schnitzereien finden Anklang.

Von Patrizia Steipe, Weßling

In einer Ecke ihres Zeichenblatts lacht eine Sonne, darunter hat die junge Frau eine Meereslandschaft gemalt, auf die sie jetzt Muscheln klebt. Sie ist eine der Stammbesucherinnen im "Bunten Hund". Damit ist die Kreativwerkstatt für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen gemeint, die in den Räumen des ehemaligen Gitarrenladens "Acoustic Corner" in Oberpfaffenhofen eine neue Heimat gefunden hat. "Ich bin gerne hier, weil ich hier eine Tagesstruktur habe", erklärt die Malerin.

Therese Lidl, Krankenschwester für Psychiatrie, nickt. "Je mehr Tagesstruktur, umso weniger Krankenhausaufenthalte werden nötig", weiß sie. Auch würde es vielen Betroffenen gut tun, ihre Wohnung zu verlassen, um hier mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Vor zwei Jahren hat Lidl die Leitung der Kreativwerkstatt übernommen. Zu ihrem Team gehören noch Arbeitsanleiterin Henrika Dietrich und Daniela Menschig, Goldschmiedin mit Weiterbildung zur Psycho- und Kunsttherapeutin. Damals war die Werkstatt noch in der Gemeinde Wörthsee unter dem Namen "Papillon" beheimatet. Sie gehört zum Verein für Betreuungen Landkreis Starnberg.

Ein einfaches Attest über das Vorliegen einer psychischen Erkrankung genügt, um in der Werkstatt arbeiten zu können. "Wir sind aber keine Tagesstätte", versichert Lidl. Deswegen soll in der Regel maximal drei Stunden gearbeitet werden. "Ein wenig selbstständig sollten die Besucher schon sein", sagt Lidl. Denn in der Werkstatt werden die Teilnehmer zwar angeleitet und bekommen Anregungen, es gibt aber keine therapeutische Einzel- oder Intensivbetreuung.

Die Besucher sind oft chronisch krank, manche sind autistisch, andere leiden an Depressionen oder Burn-Out, wieder andere an Zwängen, Borderline oder Suchterkrankungen. "Hier ist so gut wie alles vertreten", sagt Lidl. Der Bezirk Oberbayern als Kostenträger drängte auf eine Erweiterung, deswegen der Umzug in größere Räume. Schließlich ist der "Bunte Hund" das einzige Zuverdienstprojekt im gesamten Landkreis, bei dem psychisch beeinträchtigte Menschen einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen können, mit der sie auch ein wenig Geld verdienen.

Statt zwölf können jetzt 20 Betroffene zwischen 18 und 67 Jahren dort unter Anleitung oder alleine basteln. Sie holen sich aus den Regalen mit den sorgfältig beschrifteten Kartons ihre bevorzugten Bastelmaterialien und arbeiten dann am großen Tisch oder an einer der Werkbänke. Die Besucher nähen, werkeln, töpfern, bemalen Seidentücher, schnitzen mit Holz oder Speckstein. "Unseren Leuten wird wenig zugetraut", bedauert Therese Lidl, denn die fertigen Produkte sehen professionell aus und können sich sehen lassen.

Zum Verkauf kommen sie in das Schaufenster. Hier liegen Kleidungsstücke, Perlenarmbänder, Anhänger, Holzarbeiten, Karten und andere kreative Objekte. Und es gibt bereits Kundschaft vom Ort, die immer mal wieder hineinschaut, um ein kleines Präsent zu kaufen. Überhaupt sei die Werkstatt herzlich von der Dorfgemeinschaft aufgenommen worden. Immer mal wieder schauen Leute im Laden vorbei, vor allem von den Schülerlotsen, die unweit des Gebäudes die Kinder über die Straße leiten, bekommen sie viel Zuspruch. "Voll süß", schwärmt Therese Lidl.

Viele Besucher sind handwerklich sehr geschickt

Beim Eröffnungsfest am Wochenende stellte sich die Werkstatt offiziell der Öffentlichkeit vor, betrieben wird sie schon seit März. Der Vorsitzende des Betreuungsvereins, Oswald Gasser, mit seinen Vorstandskollegen Hans-Erdmann von Roedern, Otto Prechtl und Dirk Hagena standen für Gespräche bereit und informierten über den Verein, der sich seit 1991 darum kümmert, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ein möglichst selbstständiges Leben führen können. Viele sind medikamentös gut eingestellt und können so trotz Krankheit relativ selbstbestimmt leben. Zum Beispiel im betreuten Einzelwohnen des Vereins für Betreuungen. Hier werden die Klienten bei ihrem Alltag unterstützt. "Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch" nennt sich das. In die Werkstatt "Bunter Hund" können aber auch andere Betroffene kommen, die oft von ihren Angehörigen gebracht werden oder mit dem Bus direkt vor die Haustür fahren können.

Viele Besucher seien handwerklich sehr geschickt, manche hätten bei Klinikaufenthalten in ihren Beschäftigungstherapien künstlerische Fertigkeiten erworben, die sie auch nach der Entlassung weiter ausüben wollten. Und wenn etwas nicht gehen sollte, werden Lösungen gefunden - wie für die Besucherin, deren Feinmotorik nicht ausreichte, um Perlen aufzufädeln, "aber mit einer Pinzette ging es dann". In der Werkstatt können Besucher aus der gesamten Do-it-Yourself-Bandbreite schöpfen. Alle möglichen Werkzeuge, Nähmaschinen und Malutensilien stehen zur Verfügung. Im Keller ist sogar eine richtige Handwerkerwerkstatt mit Bohrmaschinen, elektrischen Sägen und anderen Geräten. Ein paar Wünsche sind aber noch offen. "Wir wünschen uns einen Kühlschrank", sagt Menschig, und Lidl träumt von einer Bandsäge und Tischschleifmaschine.

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