Süddeutsche Zeitung

Klanginstallation in Bernried:Im Wald, da sind die Lacher

Lesezeit: 4 Min.

Die Installation ist so etwas wie eine Antwort auf die Pandemie: Kabarettist David Berlinghof über seinen "Lachwald" mit prominentem Gekicher in Bernried - und über Humor in schwierigen Zeiten.

Interview von Jessica Schober, Bernried

Am Seeufer in Bernried geht's lustig zu, ständig ist dort eine Mischung aus echtem Lachen und schallendem Gelächter aus dem Lautsprecher zu hören. Verantwortlich dafür zeichnet der 30-jährige Kabarettist David Berlinghof aus Kirchstetten im Unterallgäu, der zum Humor-Festival, das noch bis zum 26. September läuft, einen Lachwald gepflanzt hat. Seine so simple wie wirkungsvolle Klanginstallation lockt ständig neue Passanten an. Warum darin Bernrieder Bürger mit Gerhard Polt gemeinsam um die Wette kichern, wie Humor in schweren Zeiten helfen kann und warum Lachen ansteckender ist als jedes Virus, erklärt Berlinghof im Interview.

SZ: Herr Berlinghof, wie muss man sich Ihren Lachwald im Bernrieder Klosterpark vorstellen?

David Berlinghof: Im Grunde ganz heiter. Der Lachwald ist ein kleines Wäldchen aus Ahorn, Buchen und Fichten mit elf Lautsprechern. Dort erklingt das Gelächter von Humoristen oder von Bernrieder Bürgern, die man erraten kann. Wer mit dem Fuß auf eine Schaltfläche tritt, löst den Gelächter-Parcours aus. Nach meiner Beobachtung ist es regelrecht ansteckend. Die meisten schaffen es nicht, nicht mitzulachen.

Wer lacht denn da alles?

Der jüngste Lacher kommt von einem Baby, das war bei der Aufnahme knapp ein halbes Jahr alt; die älteste Lachende ist meine Oma mit 83 Jahren. Am Beginn des Parcours lachen Gerhard Polt, Maxi Schafroth, Luise Kinseher, Peter Gaymann, Martina Schwarzmann, Axel Hacke und Eckart von Hirschhausen, sozusagen als Gelächterexperten.

Und welche Bernrieder haben es mit ihrer Lache in Ihre Klanginstallation geschafft?

Ich habe einfach herumgefragt, wer eine lustige Lache im Dorf hat. Ich habe viele Menschen besucht und versucht, in einem Interview ein echtes Lachen von ihnen einzufangen - die Leute wussten nicht immer, dass das mein Ziel war, was die Gespräche erleichtert hat. Gerade bei den Männern war der Franz Greinwald vom Bernrieder Bauhof bekannt für seine herzliche Lache, der ist ein unglaublich fröhlicher Mensch. Bei Bürgermeister Georg Malterer war ich im Büro, und es war auch recht unkompliziert, sein Lachen einzufangen. Er sagte danach, ich müsse unbedingt noch die Frau vom Ex-Bürgermeister sprechen, die hätte auch ein unverwechselbares Lachen. Also bin ich danach zu Maria Steigenberger. Bei der Klosterschwester Mechthild Hommel war ich etwas nervös vor dem Gespräch: Wie bringe ich wohl eine Klosterschwester zum Lachen? Aber es entwickelte sich schnell zu einem coolen Gespräch, sie hat sich übers Wetter gefreut, das reichte schon.

Welche Witze haben Sie den Menschen erzählt, um ihnen ihr Lachen zu entlocken?

Gar keine, ich kann mir keinen einzigen Witz merken. Als ich mich mit Maxi Schafroth im Unterallgäu getroffen habe, da hatte ich als Joker aber immer noch eine alte Geschichte aus meiner Jugend im Hinterkopf. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, das so groß ist wie Bernried, und mit meinem besten Kumpel zusammen habe ich oft Leute aus dem Ort parodiert, ich spielte besonders gern die Lotte, die Frau des Dorfmetzgers. Mit der Parodie bringe ich bis heute Leute zum Lachen - vor allem, weil wir dann damals irgendwann aufflogen und tatsächlich die echte Metzgersgattin am Telefon hatten. Die Geschichte habe ich relativ oft erzählt. Dabei muss man dann bei der Aufnahme aufpassen, dass man nicht in den Lacher reinquatscht. Timing macht so viel aus beim Humor.

In diesem Moment laufen zwei Passantinnen an Berlinghofs Lachwald vorbei, sie drücken zaghaft die Taste und das Gelächter tönt durch den Wald. "Herrlich", rufen die Zuhörerinnen. Während des Gesprächs ist der Lachwald ständig am Schallen. Immer wieder drücken Passanten den Auslöseknopf, überraschend viele filmen das akustische Erlebnis am Seeufer, Kinder rennen kichernd durch das Wäldchen, Berlinghof betrachtet das Treiben amüsiert.

Ging Ihnen das kollektive Gelächter in der Pandemie ab?

Die Pandemie war die Initialzündung für diesen Lachwald. Als Musiker konzentriere ich mich im Alltag stark auf Geräusche; im Lockdown war plötzlich alles still. Mir hat damals einfach das Geräusch von mehreren lachenden Menschen gefehlt. Es gab nur noch einzelne Lacher im Lockdown, nie mehrere auf einem Haufen. Das war schlimm für mich. Ich war kurz vor der Pandemie gerade fertig mit meinem Musikstudium in Weimar und wollte mit meinem ersten Kabarettprogramm "Nix Bsonders! Ein Gegenentwurf zur Hochkultur" auf die Bühne, als die Pandemie ausbrach. Ich habe mein Programm also nur ein einziges Mal zum Studienabschluss spielen dürfen im Februar 2020, dann machten alle Bühnen zu. Da hat mir das Lachen der Leute besonders gefehlt. Seitdem bin ich sozusagen wartender Kabarettist.

Was passiert denn Ihrer Meinung nach genau, wenn man in den Lachwald geht und sich dem Lachen an sich hingibt?

Wenn jemand lacht, ist das ein Resonanzmoment. Ich lehne mich da an die Theorie des Soziologen Hartmut Rosa an. Das Lachen ist ein Moment, in dem die Welt einem antwortet, ein Moment, in dem man sich getragen fühlt von der Welt. Ein Witz ist ja oft ein Rätsel und hat vielleicht sogar etwas Bodenloses - und wenn man den Witz verstanden hat, dann hat man den Boden wieder erreicht und freut sich darüber. Das Lachen ist eine Art Antwort zur Welt. Natürlich frage ich mich, ob so etwas Spontanes und Intuitives sich einfangen lässt, ob man einen Resonanzmoment auf Tonband aufnehmen und dann ausstellen kann. Ich glaube nicht, dass man das Gefühl einfrieren oder konservieren kann. Aber man kann eine Sphäre erschaffen, zum Beispiel indem ich hier einen Lachwald baue und damit vielleicht neue Resonanzmomente erzeugen.

Wir hatten alle wenig zu lachen in den vergangenen anderthalb Jahren. Lässt sich das ändern, indem man hier im Wald auf eine Taste drückt und einfach ein bisschen mitlacht?

Lachen ist unverfügbar, es lässt sich nicht herstellen. Wenn jemand schlecht drauf ist, hilft es wohl nicht, denjenigen in den Bernrieder Lachwald zu schicken und ihm zu sagen, er solle mal auf den Knopf drücken und loslachen. So einfach ist es nicht. Man kann sich aber in Umgebungen begeben, die einem vielleicht eher ein Lachen schenken. Der Lachwald soll ein Symbol dafür sein, dass man sich in so eine Sphäre begeben kann - und dann wird das Lachen wahrscheinlicher. Und natürlich ist es auch okay, nicht mitzulachen, der Lachwald gefällt auch nicht allen. Eine ältere Frau kam einmal ganz ernst zu mir und fragte: "Sind Sie für diesen Humor hier verantwortlich?" Die fand es offenbar nicht lustig - ich fand den Satz toll! Solche Immunreaktionen treten äußert selten auf. Ich denke, der Lachwald konnte schon vielen Leuten zu einer erfolgreichen Ansteckung mit einem Lachen verhelfen.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2021
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