Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Die Glücklichen vom Palmenhaus

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Die Stipendiaten Seyoung Youn, Olga Golos, GwangHee Jeong und Michael Grudziecki präsentieren in der Villa Waldberta ihre Arbeiten

Von Katja Sebald, Feldafing

Das Palmenhaus der Villa Waldberta in Feldafing ist einer der reizvollsten Ausstellungsorte im Fünfseenland. Schon allein deshalb ist die Gruppenschau von vier Künstlern, die noch bis zum kommenden Wochenende dort zu sehen ist, ein ausgesprochener Glücksfall. Die Stadt München beherbergt in der Villa Waldberta regelmäßig Stipendiaten, die an Münchner Kulturprojekten beteiligt sind, so auch aktuell im Rahmen des Austauschprogramms "Munich & Gwangju" mit GwangHee Jeong und Seyoung Youn zwei Künstler aus Südkorea. Zum Abschluss ihres Aufenthalts stellen die beiden gemeinsam mit Olga Golos und Michael Grudziecki aus, die als Artists in Residence in Gwangju waren. Die Ausstellung trägt den Titel "In the Year of the Golden Pig" und hat auch deswegen etwas mit Glück zu tun.

Das "Jahr des Goldenen Schweins" ist eine höchst seltene Konstellation und kommt im koreanischen Kalender nur einmal in 600 Jahren vor, erläutert die Münchner Kunsthistorikerin und Kuratorin der Ausstellung Sophie-Charlotte Bombeck. Das Jahr 2019 sei ein solches Glücksjahr, das glänzende Geschäfte, Wohlstand und Reichtum verspricht. Der Ausstellungstitel verweise aber auch auf die allen vier Künstlern gemeinsame Vorgehensweise, die "Themen zwischen Tradition und Moderne, Mythologie und Märchen sowie zwischen soziokulturellen und -politischen Anschauungen" verhandeln - und mit ihrer Arbeit ganz direkt auf ihren vorübergehenden Aufenthaltsort reagiert haben.

Seyoung Youn, 1974 in Gwangju geboren, blickt von ihrem Fenster in der Villa Waldberta auf den See und die Berge. Die Licht- und Farbstimmungen zur "Blauen Stunde" inspirierten sie zur Verwendung eines intensiven, dunkel leuchtenden Blautons, den sie aus Steinpuder und purem Pigment anrührt. Er taucht in ihren höchst sorgfältig gestalteten kleinformatigen Leinwandarbeiten ebenso auf wie in einem großen Papierobjekt. Immer verweist er auf eine kreisrunde Öffnung, die entweder allein mit den Mitteln der Malerei oder aber ganz konkret als Ausschnitt dargestellt ist und eine sogartige Wirkung hat.

Blau ist auch die bestimmende Farbe in den Arbeiten der gebürtigen Russin Olga Golos, allerdings ist es bei ihr das Blau des Flieders in verschiedenen Nuancen. Auf den Pflanzentischen im Glasanbau des Palmenhauses hat sie aus Gips geformte und stark vergrößerte Fliederblüten zu ebenso dekorativen wie befremdlich anmutenden Haufen aufgeschüttet. Die einzelnen Blüten, die in Rispen wachsen, haben normalerweise vier Blätter. Die Mutation mit fünf Blütenblättern gilt in Russland als glücksbringend: Wer eine solche Fliederblüte isst, hat den ganzen Tag über Glück. Die Installation "fluky flora" verweist aber auch auf den Südkorea verbreiteten Aberglauben, dass die Zahl vier Unglück bringt - und nicht zuletzt auf die atomaren Katastrophen, die Mutationen um ein Vielfaches öfter auftreten lassen.

Als Antwort und Kontrast zu dieser Installation könnte man die im gegenüberliegenden Raum ebenfalls in Haufen angeordneten, nun aber extrem verkleinerten Schiffscontainer von Michael Grudziecki lesen. Grudziecki wurde 1977 in Breslau geboren und studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Die charakteristische Form des Seefracht-Containers ist das zentrale Motiv seines Werks. In der Serie "Sea Forts" bringt er es auf vorgefundene technische Zeichnungen oder auf alte Seekarten auf. Es ist dabei Sinnbild für die weltweite ökonomische Vernetzung, aber auch für gesellschaftliche Veränderungen und soziokulturelle Entwicklungen als Folge der Globalisierung.

Am wahrscheinlichsten aber ist es, dass man als Besucher der Ausstellung GwangHee Jeong an seinem Arbeitstisch antrifft. Der Kalligraph und Künstler aus Gwangju fertigt dort mit dem Pinsel und dem traditionellen Tintenstein auf koreanischem Hanji-Papier seine tagebuchartigen Aufzeichnungen an, die seinen Aufenthalt in Feldafing dokumentieren. Die Schriftzeichen dienen ihm als subjektiver Ausdruck seiner Erlebnisse, sie entfalten aber auch unabhängig von ihrer Bedeutung einen ganz eigenen ästhetischen Reiz. Dies gilt insbesondere für die Arbeiten, bei denen er das beschriftete Papier zu schmalen Streifen faltet und als gleichsam abstrakte Objektbilder in Holzrahmen spannt.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2019
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