Süddeutsche Zeitung

Mode:"Wenn man sich darauf einlässt, können beim Gehen und Laufen Glücksgefühle entstehen"

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Michael Laimer will seine Füße nicht länger in Schuhe zwängen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Darum hat der Andechser eine Sandale entwickelt, über die er die Natur spüren kann.

Von Carolin Fries, Andechs

Als Karin Eberle ihren heutigen Lebenspartner vor vier Jahren zum ersten Mal traf, trug er an den Füßen "eine schwarze Sohle, die er mit Bändern an den Füßen befestigt hatte". Die 53-Jährige muss beim Erzählen von diesem ersten Kennenlernen herzlich lachen. Wie sich herausstellte, war der freiberufliche Kameramann gerade dabei, eine Sandale zu entwickeln, die sich anfühlte, als würde er barfuß laufen. Zwei Jahre später sollte Michael Laimer die Barfuß-Sandale " Piapios" auf den Markt bringen: eine dünne Naturkautschuk-Sohle mit elastischen Bändern und bunten Perlen.

Das Besondere: Über ein rundes Loch in der Sohle wird der Boden spürbar. Der Erfinder aus Andechs spricht vom "nature spot". Die Beschaffenheit des Untergrunds sowie die Temperatur würde dadurch erlebbar, dennoch sei der Fuß geschützt. "Wenn man sich darauf einlässt, können beim Gehen und Laufen Glücksgefühle entstehen", so Laimer.

Natürlich trägt der Mann, der sein Alter nicht verraten und stattdessen "jung Gebliebener" genannt werden will, auch daheim in der Wohnung keine Schuhe. In T-Shirt und Cargo-Hose läuft er über den Holzboden. Karin Eberle indes trägt einen Wollpullover, ihre Füße stecken in warmen Hüttenschuhen. Für sie sind die Sandalen Sommerschuhe, Laimer trägt sie auch im Winter. Mitunter joggt er auch mal komplett barfuß, je nach Untergrund. Mehrere Tausend Kilometer hat er mit seinen Loch-Sandalen schon zurückgelegt. "Für mich ist der Kontakt zur Natur essentiell", sagt er. Im Job müsse er aus Sicherheitsgründen stets geschlossene Schuhe tragen, zu schwer ist das Gerät für Fernseh- und Filmaufnahmen, zu groß die Verletzungsgefahr. "Kaum, dass ich aus dem Studio raus bin, ziehe ich die Schuhe aus", erzählt Laimer. Für ihn ein ganz natürliches Bedürfnis: "Wir waren doch alle als Kinder ohne Schuhe unterwegs, bis wir uns das mit dem Heranwachsen abgewöhnen."

Dabei spreche vieles gegen das "Einsperren" des Fußes in Schuhen, vor allem "dass wir den Fuß damit degenerieren anstatt ihn zu kräftigen". Beim Barfußlaufen hingegen würde permanent die Belastung auf die Fußsohlen verteilt und austariert. Die Füße müssten ständig arbeiten, "der Gang wird dadurch automatisch aufrecht". Doch nicht nur der Körper profitiere, so Laimer. Auch der Geist bleibe wach und gesund.

Früher ist Laimer mit Sportschuhen gejoggt, bis zu fünf Mal in der Woche läuft er fünf bis zehn Kilometer. Doch die Schuhe seien entweder schnell kaputt gewesen oder aber er habe Schmerzen beim Laufen oder danach gehabt. Mal machten die Knie Probleme, mal war die Nackenmuskulatur unangenehm verspannt.

Der Kameramann macht dafür den Fersengang verantwortlich, den gewöhnliche, industriell gefertigte Schuhe durch ihren keilförmigen Aufbau fördern. "So landet die komplette Belastung direkt auf der Wirbelsäule", erklärt er. Seine Sandale fördere den Gang über Mittel- und Vorderfuß, "daran muss man sich aber erst gewöhnen".

Natürlich können Eberle und Laimer nur schwärmen von den leichten und biegbaren Schuhen, die sie abends in ihrem Wohnzimmer in der Andechser Wohnung zusammenbauen. Sämtliche Einzelteile werden aus Deutschland geliefert, lediglich die sechs Millimeter dicken Sohlen kommen aus Italien. Kunden können je nach Fußform aus drei Modellen wählen, die Perlen gibt es in 15 Farben. Wer ein Paar Schuhe bestellt, muss sich außerdem entscheiden, ob ein Schmetterling, eine Bärentatze oder ein Edelweiß als kleines Motiv auf dem Gummiband zu sehen ist, das die Zehen trennt. Die Bilder stehen für Leichtigkeit, Stärke und Naturverbundenheit, erklärt Laimer.

Die Gummibänder gibt es in den Farben taupe und grau. Ein Paar Sandalen kostet 53 Euro zuzüglich Versand, sie sind in den Größen 35 bis 46 bestellbar. Wie viele Schuhe er schon verkauft hat, will Laimer nicht verraten. "Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung", sagt er nur. Die Kunden kämen aus allen Alters- und Berufsschichten. Er freut sich, dass eine Ultra-Marathonläuferin die Sandale als Alltagsschuh nutzt und ein gestandener Bayer in Tracht die Barfußschuhe nach einem Testlauf bei einem Markt gar nicht mehr ausziehen wollte. "Die Leute freuen sich so, wenn sie beim Gehen über die Wiese das Gras spüren." Eine Verletzungsgefahr bestehe durch das Loch, das einen Durchmesser zwischen 44 und 58 Millimeter hat, nicht. "Es liegt bewusst in der Wölbung des Fußes, auf die beim Gehen kein Druck ausgeübt wird", erklärt der Erfinder.

Der "nature spot" ist für Eberle und Laimer der entscheidende Unterschied zu den Barfußsandalen, die es bereits auf dem Markt gibt. "In allen ist der Fuß ziemlich eingepackt", sagt Laimer. Eberle hat außerdem noch kein Modell gefunden, das sie auch optisch anspricht. "Ich finde, unsere Schuhe sind einfach hübsch."

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