Süddeutsche Zeitung

Neujahrsempfang der Starnberger CSU:"Berlin ist die Hauptstadt der Chaoten"

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Ministerpräsident Markus Söder stimmt die Union mit einer markigen Rede auf den bevorstehenden Landtagswahlkampf ein. Er beschwört bayerische Klischees, zur Flüchtlingsproblematik aber äußert er sich nicht auf dem Heiligen Berg in Andechs.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Andechs

Franz Josef Strauß ist auch 35 Jahre nach seinem Tod noch immer ein CSU-Idol. Nicht ohne Hintersinn fanden sich beim Neujahrsempfang der Kreis-CSU am Freitag im voll besetzten Florianstadel des Klosters Andechs Bierdeckel mit launigen Strauß-Zitaten. Und weil im Herbst in Bayern ein neuer Landtag gewählt wird, gab es auch Bierdeckel-Sprüche des als Hauptredner geladenen Ministerpräsidenten Markus Söder. Das wäre allerdings nicht wirklich notwendig gewesen: Söder erntete für seine pointierte Rede viel Beifall und übertraf damit die Bierdeckel-Aktion bei Weitem.

Söder: "Wer im schönsten Landkreis in Bayern lebt, der lebt im schönsten Landkreis der Welt."

Zum Wahlkampfauftakt im Landkreis Starnberg hatte sich viel CSU-Prominenz versammelt: EU-Abgeordnete Angelika Niebler, Bundestagsabgeordneter Michael Kießling, Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig, Harald Schwab als Vertreter des Bezirkstags, diverse Kommunalpolitiker und Bürgermeister aus den Nachbargemeinden - und auch Musiker Leslie Mandoki, einst Mitglied der Gruppe "Dschinghis Khan", durfte nicht fehlen. Freilich fehlte der Bayerische Defiliermarsch zum pünktlichen Einzug des Ministerpräsidenten ebenso wenig wie die Bayernhymne, zum Finale gespielt von der Erlinger Blaskapelle. Brauchtum, Kultur und Landschaft - Attribute, die von der CSU nur allzu gern in Anspruch genommen werden, als sei all das allein nur ihr zu verdanken. Und Söder setzte mit Blick auf Starnberg noch eins drauf: "Wer im schönsten Landkreis in Bayern lebt, der lebt im schönsten Landkreis der Welt."

Es ist nicht der erste Auftritt Söders im Wahljahr, und es wird im Freistaat auch nicht der letzte sein. Wortgewaltig bemühte der Ministerpräsident auch in Andechs bewährte bayerische Klischees frei nach dem Motto: "In Bayern ist alles besser." Ob Nahrungsmittel ("die besten der Welt"), erneuerbare Energien, Sicherheit oder Technologie ("Wir sind stark, wir haben die meisten DAX-Unternehmen, die meisten Handwerksmeister und die meisten Industriearbeitsplätze"), ob Autos oder Technik ("da ist Bayern vorn mit dabei"). Sogar bei der künstlichen Intelligenz sei der Freistaat gut aufgestellt, die Bildung komme nicht zu kurz. Die Meisterausbildung werde künftig kostenlos angeboten, Professorenstellen und Studienplätze würden aufgestockt. "Bayern ist nicht perfekt. Aber wir sind ziemlich gut und besser als viele andere", befand der Ministerpräsident unter dem Applaus der Zuhörer, um sogleich die rhetorische Frage zu stellen, ob dieser Kurs fortgesetzt oder eine "Mini-Ampel" in Bayern eingeführt werden sollte. Aus seiner Meinung über Berlin und die amtierende Bundesregierung machte Söder keinen Hehl: "Berlin sollte Hauptstadt für alle Deutschen sein, aber es ist die Hauptstadt der Chaoten." Die angekündigte Zeitenwende werde nur "in Zeitenlupe" vollzogen.

Statt auf Atomkraft zu setzen mache Deutschland sich lächerlich, findet Söder

Zum Ukraine-Krieg erklärte der Ministerpräsident, er rate zu maximaler Besonnenheit: "Wir helfen wirklich gerne, aber Hilfe muss mit Verstand erfolgen." Und bei der Energiekrise mache sich Deutschland lächerlich, wenn es im Ausland teuer einkaufe, selbst aber nichts tue. Ihn störe dieses Vor und Zurück: Wenn etwa die Kataris als die schlimmsten Menschen der Welt dargestellt würden, es gleichzeitig aber schön wäre, von ihnen Gas zu bekommen. Auf Energiesparvorschläge wie kalt duschen, sich mit Waschlappen zu waschen oder das Waschen grundlegend einzustellen, reagierte Söder mit Spott: Das sei keine Comedy gewesen, sondern ernst gemeint. Seiner Meinung nach müsste alles Notwendige getan werden, Atomkraftwerke müssten bis zum Ende der Krise weiterlaufen.

Unter dem Beifall der Landwirte unter den Zuhörern monierte er, dass jede Energieform anders behandelt werde, beispielsweise Biogas. Dass Flächen stillgelegt werden, statt der Landwirtschaft die Chance zu geben den Hunger in der Welt zu beenden, kritisierte er ebenfalls. Im Zuge der Erbschaftssteuererhöhung sollten auch die Freibeträge hochgesetzt werden. Dagegen klagt der Freistaat ebenso wie gegen den Länderfinanzausgleich. Im Jahr 2022 hat Bayern erneut mehr als die Hälfte des bundesweiten Finanzausgleichs bezahlt. Und auch über die Genderdebatte, bei der Opa und Oma künftig "Ompa" heißen sollen, machte sich Söder lustig. Auf die Bitte des Andechser Bürgermeisters und stellvertretenden Landrats Georg Scheitz hin, die Kommunen bei den Herausforderungen zur Unterbringung der Flüchtlinge zu unterstützen, indem etwa Bundeswehrgelände zur Verfügung gestellt wird, ging Söder allerdings nicht ein. "Lassen Sie die anderen jammern. Wir gehen die Probleme der Zukunft mit einem Plan an", sagte der Ministerpräsident und verließ den Heiligen Berg, ohne den Besuchern allerdings noch eine Chance auf Fragen oder eine Diskussion zu geben.

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