Süddeutsche Zeitung

"Sicherer Hafen":Drinnen CSU-Ball, draußen Proteste

Lesezeit: 1 min

Demonstranten fordern Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland

Von Tom Soyer

Große Limousinen, einige mit Chauffeur, Abendroben, Parfümwolken, "confierte Eismeerforelle" auf der Speisekarte: Die Münchner CSU und deren Freunde ließen es sich am Samstagabend beim CSU-Schwarz-Weiß-Ball "Münchner G'schichten" am Nockherberg gut gehen. Eher auf abendliche und auch menschliche Kälte hatte sich demgegenüber eine Gruppe von rund 70 Menschen an der Hochstraße eingerichtet - bei einer Protestkundgebung unter dem Titel "Wir haben Platz - Evakuiert die griechischen Lager". Die Demonstranten klagten an, dass auch die CSU vor wenigen Tagen im Innenausschuss des Bundestags die Erlaubnis verweigert hatte, dass München minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von der griechischen Insel Lesbos aufnimmt. Die Münchner Gruppe der Initiative "Seebrücke" hatte zur Kundgebung gegen diese humanitäre Blockade aufgerufen.

Mehrere Rednerinnen und Redner, darunter die OB-Kandidaten Katrin Habenschaden (Grüne) und Thomas Lechner (Die Linke), richteten eindringliche Appelle und heftige Worte der Kritik an jene Bundestagsparteien, die eine Rettung jugendlicher Flüchtlinge aus den menschenunwürdigen Camps verhinderten. Wie die CSU hatten auch CDU, SPD und AfD im Bundestag dagegen gestimmt. Und das, obwohl sich inzwischen mehr als 120 deutsche Städte bereit erklärt hatten, Flüchtlinge aufzunehmen und zu helfen. Auch München will so ein "sicherer Hafen" sein.

"Leute, es gibt so was von nichts zu feiern", rief eine Vertreterin des Bayerischen Flüchtlingsrates bei der Nockherberg-Demo ins Mikrofon, "gegenüber feiert die CSU", und denen sei das Elend der Flüchtlinge in den Camps auf Lesbos, wo es nicht einmal genügend Zelte und Nahrung gebe, "salopp gesagt: scheißegal". Zu direkten Begegnungen mit den Feiernden, die im Festsaal gut abgeschirmt ihren Abend verbrachten, kam es nicht, dafür schickte der Nockherberg-Wirt drei Bedienungen mit kostenlosem Glühwein in großen Plastikbechern hinaus zu den Demonstranten. Das Signal wurde gut aufgenommen.

Einig waren sich draußen an der Hochstraße alle Sprecherinnen und Sprecher, ob OB-Kandidaten oder junge Freiwillige, die im November das Elend auf Lesbos selbst erlebt hatten: Die "Blockade" der Seenotrettung müsse aufhören, die menschenunwürdigen Lager müssten sofort evakuiert und insbesondere jugendliche Flüchtlinge sofort gerettet und in die aufnahmebereiten deutschen Kommunen gelassen werden.

Eine Mutter hatte während der Demo zeitweise ihr Kleinkind auf den Schultern, es reckte eine von Hand beschriftete Papptafel in den Abendhimmel mit einem besonders eindringlichen Appell, der alle Reden gut zusammenfasste: "Holt die Kinder hier her! Sie frieren!"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4790567
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.