Süddeutsche Zeitung

Sendling-Westpark:Kopfschütteln und Protest

Lesezeit: 2 min

CSU-Politiker Michael Kuffer sammelt in seinem "Angstraum-Melder" 170 Bürgerstimmen. Im daraus folgenden "Angst-Atlas" wird der Partnachplatz zu einem der gefährlichsten Orte der Stadt. Polizei und Politik widersprechen heftig

Von Berthold Neff, Sendling-Westpark

Unverantwortlich, billige Effekthascherei, Angstmacherei: Mit harschen Worten hat der Bezirksausschuss (BA) Sendling-Westpark am Dienstagabend auf eine Aktion des CSU-Politikers Michael Kuffer reagiert, derzeit stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Rathaus und Bundestagskandidat seiner Partei im Münchner Süden. Wahlkämpfer Kuffer hatte auf seiner Internet-Seite einen "Angstraum-Melder" eingerichtet und die ersten Nennungen an eine Boulevardzeitung weitergegeben, die daraus in der Karwoche den Münchner "Angst-Atlas" produzierte - mit dem Partnachplatz an zehnter Stelle. Der sei "abends ein Ort, den man meiden möchte".

Das sorgte offenbar nicht nur im Bezirksausschuss, sondern auch bei der örtlichen Polizei für Kopfschütteln und Protest. Polizeirat Christian Wittstadt, Leiter der zuständigen Polizeiinspektion 15 an der Treffauerstraße, ließ es sich nicht nehmen, persönlich in der Sitzung zu erscheinen - und Kuffers Zahlen in der Luft zu zerreißen. Wittstadt sagte, die Situation an dieser Stelle des Viertels sei "absolut unauffällig", von einem Brennpunkt könnte überhaupt nicht die Rede sein. Ohnehin sei die Kriminalitätsbelastung in Sendling-Westpark niedrig. Wittstadt untermauerte dieses Fazit auch mit den Zahlen aus der Kriminalstatistik für 2016, die der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä Mitte März vorgestellt hatte. Daraus geht hervor, dass die Anzahl der Straftaten je 100 000 Einwohner im Zehnjahresvergleich um acht Prozentpunkte gesunken ist und die Zahl der Gesamttaten auf dem Niveau von 2010 liegt. Andräs Fazit: "München bleibt die sicherste Millionenstadt Deutschlands." Genau das trifft Wittstadt zufolge auch auf Sendling-Westpark zu. Hier braucht niemand Angst zu haben, sagte der Polizeirat und betonte zugleich, dass er nur Zahlen nenne, sich im Übrigen aber aus der parteipolitischen Auseinandersetzung selbstverständlich heraushalte.

Das übernahmen die BA-Mitglieder mit sichtlicher Freude. Der CSU-Fraktionssprecher Alfred Nagel versuchte den Spagat, also die Dinge zurechtzurücken, ohne seinen Parteifreund Kuffer zu attackieren. "Der Partnachplatz ist sicher", betonte Nagel, "unser ganzes Stadtviertel ist sicher". Angesichts der allgemeinen Kritik an Kuffer versuchte Nagel, seinen Parteifreund in Schutz zu nehmen, indem er den Schwarzen Peter den Journalisten zuschob. Diese hätten besser recherchieren müssen.

Das wiederum ließ der BA-Vorsitzende Günter Keller (SPD) nicht gelten. Die Zahlen, stellte er fest, stammten nicht von den Journalisten, "sondern von einem Politiker, der in den Bundestag will, Kuffer selbst hat diese Zahlen geliefert". Wer sich auf Kuffers Seiten im Internet melde, sehe nicht, welche Plätze und Orte als angsteinflößend genannt werden. Im Übrigen zeige die Einstufung des Partnachplatzes in dieser "sogenannten Umfrage" eines: "Wenn unser Partnachplatz da auf Platz zehn liegt, ist München wirklich sehr sicher."

Als dann der SPD-Fraktionssprecher Walter Sturm genüsslich feststellte, dass Kuffers Behauptungen sich lediglich auf 170 Meldungen stützten, herrschte allgemeines Kopfschütteln. Sabrina Böcking (FDP) sagte, sie finde es "sehr schade, dass man versucht, mit diesem Thema Stimmung zu machen". Jens Röver (SPD), der nicht nur Mitglied im Bezirksausschuss ist, sondern auch - wie Kuffer - dem Stadtrat angehört, resümierte: "Das ist kein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema Sicherheit."

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Quelle:
SZ vom 27.04.2017
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