Süddeutsche Zeitung

Sendling-Westpark:Baggern an der Bahn

Lesezeit: 3 min

Die Anwohner des Distlhofwegs am S-Bahnhof Mittersendling klagen über nächtlichen Lärm durch abgestellte Züge. Nun signalisiert ihnen die Stadt, bei einem Gespräch mit DB-Verantwortlichen nach Lösungen zu suchen

Von Berthold Neff, Sendling-Westpark

Wie viel Lärm muss man erdulden, wenn man in der Nähe von Bahngleisen wohnt? Und welche Arbeiten sind dort zulässig, und zwar sogar nachts? Fragen wie diese sollten vergangene Woche bei der Informationsveranstaltung für die Anwohner des Distlhofwegs in der Nähe des S-Bahnhofs Mittersendling geklärt werden. Günter Keller (SPD), der Vorsitzende des Bezirksausschusses Sendling-Westpark, hatte geladen, und mehr als 50 Bewohner waren gekommen, weil sie sich von dem Stadtteil-Gremium und von den geladenen Experten eine Lösung ihrer Probleme erhofften. Diejenigen jedoch, die all den Ärger verursachen, waren nicht erschienen. Die DB Netz AG, die für die Gleisanlagen zuständig ist, hatte BA-Chef Keller tags zuvor per E-Mail wissen lassen, dass "leider kein Vertreter der DB Netz AG" an der Veranstaltung teilnehmen werde.

Wäre ein Bahn-Vertreter erschienen, hätte er einen dicken Notizblock benötigt, um all die Kritik aufzuschreiben, die von den Anwohnern vorgebracht wurde. Sie protestieren nicht dagegen, dass der Zugverkehr über diese Gleise abgewickelt wird, sondern gegen all die anderen Dinge, die sich dort abspielen: Die S-Bahn München, die diese Gleisanlagen von der DB Netz AG gemietet hat, stellt dort jedes Wochenende S-Bahnen ab und bereitet sie für den Einsatz vor. Im Winter werden sie vorgeheizt, an heißen Sommernächten gekühlt. Bremsen und andere Aggregate werden gewartet, und oft ist damit ein ausdauernder, die Nachtruhe raubender Pfeifton verbunden. Einige Anwohner beschrieben dieses Geräusch als "das größte Problem".

Hinzu kommt, dass die Bahn auch Schienenschleifzüge dort abstellt und wartet. Und seitdem die Anwohner beobachtet haben, dass die Arbeiter dabei Schutzanzüge tragen, fragen sie sich, ob über den Lärm hinaus auch noch andere Gefahren für die Gesundheit von diesem Treiben ausgehen. Und es könnte noch schlimmer kommen, denn es gibt durchaus Anzeichen, dass die Bahn dort eine Ladestraße einrichten will. Schwerlaster könnten dann all das Material anliefern, was bei der Sanierung des Holzkirchner Bahnhofs benötigt wird.

Die DB Netz AG sieht sich dabei auf der sicheren Seite. Das Wohngebiet sei nach der Bahnstrecke entstanden. Es sei richtig, so heißt es in dem Schreiben an BA-Chef Keller, dass dort - auf Gleis 4 - S-Bahnen abgestellt würden. "Diese Nutzung entspricht jedoch der zulässigen Nutzung genehmigter Bahnanlagen." Ohnehin seien Anlagen, die schon vor der Bahnreform von 1994 existierten "per se genehmigt". Damit gehe eine "entsprechende Duldungsverpflichtung für die aus dem Eisenbahnbetrieb herrührenden Immissionen" einher, "zu denen auch der Schall gehört".

Zwei Expertinnen des Planungsreferats erläuterten den Anwohnern, dass die Bahn weder vor, noch nach Aufstellung des Bebauungsplans für dieses Wohngebiet mitgeteilt habe, welche Pläne oder Änderungen im Betrieb man verfolge. Deshalb sei damals nicht angeordnet worden, eine massive Lärmschutzwand zu bauen. Diese entsteht nun für das zweite Bauprojekt in der Nähe. Die Büschl-Unternehmensgruppe will entlang der Bahnlinie ein Quartier mit 150 Wohnungen, Kitas und Geschäften errichten.

Rudolf Fuchs, Leiter der Hauptabteilung Umweltschutz im städtischen Referat für Gesundheit und Umwelt, skizzierte die juristisch "recht komplizierte" Lage. Er sagte, die von den Anlagen in der Nacht ausgehenden Geräusche seien auch seiner Ansicht nach zu laut, es bringe aber nichts, sie zu messen, denn die "Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft", kurz TA Luft genannt, greife auf Bahngelände nicht. Dort sei stets nur das Eisenbahnbundesamt zuständig. Diese Behörde entscheide auch, ob es bei größeren Änderungen nötig sei, ein Planfeststellungsverfahren einzuleiten, das es der Stadt ermöglichen würde, Einwendungen vorzubringen. Fuchs sagte, ähnliche Probleme gebe es auch am Abstellbahnhof Pasing-West. Diese beiden Themen sollen nach der Sommerpause bei einem Spitzengespräch von Umweltschutzreferentin Stephanie Jacobs mit Vertretern der Bahn erörtert werden. Möglicherweise könne man dabei erreichen, dass die Bahn durch organisatorische Änderungen, zum Beispiel der Betriebsabläufe, die Belastung der Anwohner reduziere.

Genau das hoffen nun auch die Anwohner, denn mit sofortiger Abhilfe war nicht zu rechnen. "Wir wussten vorher, dass wir keine fertigen Lösungen anbieten können", sagte zum Schluss BA-Chef Günter Keller. Er kündigte an, sich weiter für die Belange der Anwohner einzusetzen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3570206
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.