Süddeutsche Zeitung

Kritik:Carbonara con amore

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"Roy Bianco und die Abbrunzati Boys" machen auf der Sommerbühne im Olympiastadion auf Dolce Vita.

Von Stefan Sommer, München

Promi-Alarm auf der Tartanbahn: verfolgt von einem Rudel Paparazzi schlendert die selbsternannte, "erfolgreichste Italo-Schlager-Gruppe Deutschlands" zu Luciano Pavarottis "'O Sole Mio" durch das Olympiastadion. Roy Bianco und die Abbrunzati Boys schweben durch das Blitzlichtgewitter auf die Bühne zu. Ihre Hits heißen "Amore Sul Mare", Dolce Vita" und "Vino Rosso". Und so benehmen sie sich auch. Gesten, die Flavio Briatore nicht mondäner drauf hat. Kusshände, die die Loren dem Publikum an der Croisette nicht eleganter zuwerfen könnte. Da ist ihr Nonsense-Italienisch fast egal.

Diese Band weiß um unsere Sehnsucht nach Rimini, nach Riva Del Garda, nach Amalfi, um unsere kollektive Sehnsucht nach einem Leben im Süden zwischen Lido und Spumante, Eros Ramazzotti und Spaghetti Carbonara. Alles, aber auch alles, was die Gigolos der "Ponte Di Rialto" in ihren pastellfarbenen Sakkos hervorschmachten, könnten echte Schlagerstars nicht treffender formulieren. Exotik, Urlaub, Amore. Und dann diese Biographie, wie von Ralph Siegel höchstselbst verfasst: In Sirmione am Gardasee hätten sich Roy Bianco und die Abbrunzati Boys 1982 gegründet, 1994 dann an der Copacabana in Rio De Janeiro beim Schlagerfestival, den ersten Platz errungen. Ihr Debütalbum "Greatest Hits", das im Frühjahr 2020 erschienen ist, wäre eigentlich ihr Comeback-Album, behaupten sie.

Selbst mit viel Wohlwollen, selbst, wenn sie tatsächlich ihr Leben unter der apulischen Sonne genossen hätten, wie Mitfünfziger sehen sie im Olympiastadion beim besten Willen nicht aus. Wie ihre Outfits, wie ihre Schnauzer, wie die Anekdoten aus den wilden Achtzigern, ist das Teil der Legendenbildung. Natürlich kommen Roy Bianco und die Abbrunzati Boys nicht aus Bella Italia, sondern aus Augsburg, natürlich hat ihre Passion für Italo-Schlager einen doppelten Boden. Nur welchen? Ist ihre Show am Mittwochabend eine Verneigung vor den Kindheitsidolen? Hommage an Umberto Tozzi und Gianna Nannini? Oder die Persiflage unserer Dolce-Vita-Schwelgereien? Ein plumper Kalauer über teutonische Projektionen vom süßen Leben jenseits des Brenner? Nostalgie oder Witz über die Nostalgie? Eventuell beides, eventuell nichts davon. Scusi.

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