Süddeutsche Zeitung

Prozess wegen Vergewaltigung:"Reiche Leute können sich Urteile kaufen"

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Mit Champagner und reichlich Wodka ließ es ein Mann an seinem 18. Geburtstag in einer Münchner Disco krachen. Anschließend verging er sich brutal an einer 33-Jährigen. Bei der Festnahme wollte er um 20.000 Euro wetten, dass er nicht verurteilt werde. Geholfen hat ihm das nicht.

Von Christian Rost, München

"Reiche Leute können sich Urteile kaufen", hatte der 18-Jährige bei seiner Festnahme einem Polizisten erklärt. Er wette um 20 000 Euro, dass er nicht in Haft müsse, gab sich der Schüler frech. Die Wette hätte er verloren: Am Freitag ist Michael F. (Name geändert) wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.

Beim Strafmaß blieb die Jugendkammer am Landgericht München I unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten fünf Jahren, aber deutlich über dem Antrag der Verteidigung, die eine zweijährige Bewährungsstrafe für ausreichend erachtet hatte. Der Vorsitzende Richter Reinhold Baier sagte, die Tat sei "zielgerichtet" und "massiv" gewesen, weshalb eine Bewährungsstrafe nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Der Schüler habe bei seinem Übergriff auf eine 33-Jährige in einem Haus in der Goethestraße "Gewalt ohne große Bedenken eingesetzt". Der bartlose junge Mann von eher kleiner Statur habe "Macht demonstrieren wollen".

Geld spielte für den Jugendlichen keine Rolle

Es war am Vorabend des 7. Juli 2013, als der aus Schwaben stammende Michael F. acht Freunde einlud, mit ihm nach München zu fahren und in einer Disco seinen 18. Geburtstag zu feiern. Im Club "Meinburk" war ein Tisch für ihn reserviert. F. spendierte eine Drei-Liter-Flasche Champagner und eine Sechs-Liter-Flasche Wodka. Die Rechnung über mehr als 1000 Euro zahlte er bar. Dass für ihn Geld keine Rolle spielt, ließ der Schüler auch während der nicht öffentlichen Gerichtsverhandlung durchblicken: "Er lebt bei und von seinen wohlhabenden Eltern", so fasste der Richter die Lebensverhältnisse des Angeklagten zusammen. Mit Ach und Krach hatte er die Hauptschule geschafft.

Nach dem Disco-Besuch ging F. zunächst in sein Hotel am Hauptbahnhof, zog aber wieder los, weil seine Freunde inzwischen in einer Strip-Bar gelandet waren und ihn per SMS aufforderten nachzukommen. F. fand den Club aber nicht und begegnete gegen 4.40 Uhr in der Goethestraße zufällig einer 33-jährigen Frau, die gerade die Tür zu einem Wohnhaus aufschloss.

Er folgte der Frau in den Aufzug

F. gab vor, auch dort zu wohnen, folgte der Frau in den Aufzug und ging sie sofort brutal an: Er packte sie am Hals, fasste ihr in die Unterhose und zerrte sie aus dem Lift heraus die Kellertreppen hinunter. Dort zog er sie aus und befingerte sie weiter. Als sie sich wehrte, riss er ihr ein Haarbüschel aus. Ihr Widerstand und ihre Schreie beeindruckten F. nicht. Im Haus hörte niemand ihre Hilferufe. "Sie hatte Angst um ihr Leben", so Richter Baier.

Erst als die Frau vorgab, auf die Toilette zu müssen und F. mit ihr den Keller verließ, konnte sie sich losreißen und aus dem Haus flüchten. Auf der Straße wurden Fahrgäste in einem Taxi auf das Opfer aufmerksam: Die Frau hielt ihre Jeans in der Hand. Die Zeugen kamen ihr zu Hilfe. F. flüchtete über die Flachdächer im Hinterhof und versteckte sich in einer Kiste mit Streusplitt. Dennoch konnte er festgenommen werden. Die Tat räumte er ein. Dem Opfer, das noch schwer an den psychischen Folgen leidet, zahlte er 8000 Euro Schmerzensgeld.

Der Fall erregte auch Aufsehen, weil F. nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen überlanger Untersuchungshaft vor Prozessbeginn auf freien Fuß gesetzt werden musste und mit seinen Eltern auf die Balearen flog. Dem Prozess stellte er sich aber. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2014
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