Süddeutsche Zeitung

Prozess:Sieben Stundenkilometer entscheiden über Leben oder Tod

Lesezeit: 1 min

Von Susi Wimmer

Sieben Stundenkilometer waren es, die am Ende über Leben und Tod entschieden. Sieben Stundenkilometer sind für einen Autofahrer eher marginal, noch dazu, wenn er von den erlaubten 50 ohnehin schon auf 37 Stundenkilometer abgebremst hat. Allerdings war das Jugendgericht München jetzt der Meinung, der 20-jährige Autofahrer aus Dachau hätte sein Tempo noch besser den Witterungsverhältnissen anpassen und auf Tempo 30 reduzieren müssen - dann würde ein 77 Jahre alter Radfahrer aus München noch leben.

Der junge Mann aus Dachau war vor genau einem Jahr, am 13. Juli 2016, mit dem Wagen seines Vaters in München unterwegs gewesen. Er kam von der St.-Bonifatius-Straße am Ostfriedhof in Obergiesing und wollte den Nockherberg stadteinwärts nach unten fahren. Die Straße war regennass und in der scharfen Rechtskurve, wo die Hochstraße zum Wirtshaus Nockherberg abgeht, geriet der Wagen auf den Trambahnschienen ins Schleudern und brach aus. Das Fahrzeug drehte sich um 180 Grad und traf dabei den Radfahrer, der mit Mountainbike und Radhelm ebenfalls auf der Straße bergab fuhr. Der Münchner wurde auf den Gehsteig geschleudert und verlor das Bewusstsein. Er erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und starb drei Tage später in einer Klinik.

In der Straße Am Nockherberg ist Tempo 50 erlaubt. Trotzdem, so folgerte ein Gutachter, sei der Dachauer mit seinen 37 Stundenkilometern angesichts der Witterung und der Kurve zu schnell unterwegs gewesen. "Wäre er mit einer Geschwindigkeit von maximal 30 gefahren, wäre es nicht zum Ausbrechen des Fahrzeugs gekommen."

"Ich war zum ersten Mal mit dem Auto in München. Und in Dachau gibt es keine Trambahnschienen", sagte der einsichtige Fahrer in der Verhandlung. Er habe den Radler gesehen und versucht, langsam zu fahren. "Aber in dem Moment habe ich es falsch eingeschätzt. Es tut mir wahnsinnig leid, aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen, auch wenn ich das gerne würde."

Das Gericht verurteilte den 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu einer Geldauflage von einem Monatsgehalt und zu einem Fahrverbot von einem Monat. Der Richter stellte fest, dass der Angeklagte nur "leicht fahrlässig" gehandelt und sich eigentlich regelkonform verhalten habe. Das Urteil ist rechtskräftig.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3601371
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.