Süddeutsche Zeitung

Prozess:Prozess um Schießerei in Schwabing: Eifersucht und ein Revolver

Lesezeit: 3 min

Von Andreas Salch

Jetzt bloß nichts falsch machen. Ruhe bewahren. Arif L. (Name geändert) schwirrten die Gedanken durch den Kopf. "Ich versuchte mich zusammenzunehmen und die Angelegenheit zu beruhigen", sagt der 25-Jährige. Doch das war nicht so einfach. Es war kurz vor 18 Uhr am 19. April vergangenen Jahres. Arif L. saß mit dem Mann seiner Nichte, Hassan A., in einem Café in der Schleißheimer Straße. Die Männer unterhielten sich. Hassan A. soll wütend auf Arif L. gewesen sein. Denn seine Frau Rana ( Name geändert) hatte ein Verhältnis mit dem 25-Jährigen.

Während des Gesprächs bemerkte Arif L., dass Hassan A. einen Revolver bei sich hatte. Kurze Zeit später soll A. damit Arif L. auf der Zentnerstraße in Schwabing niedergeschossen haben. Seit Donnerstag muss sich Hassan A., 41, für die mutmaßliche Tat vor dem Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt im versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen zur Last.

Es waren dramatische Szenen, die sich in der Zentnerstraße abspielten. Hassan A. soll mehrere Schüsse auf Arif L. abgebeben haben. Zwei Kugeln blieben in dessen Brust stecken. Nur einen Zentimeter von seinem Herzen entfernt, sagte der 25-Jährige bei seiner Vernehmung vor der 2. Strafkammer. Als Hassan A. begann zu schießen, waren bereits zwei Polizeibeamte vor Ort. Sie erwiderten das Feuer, um Arif L. zu schützen. Die Beamten gaben 15 Schüsse ab. Dabei wurde auch der 25-Jährige von einer Kugel der Polizei getroffen.

Obwohl schwer verletzt, konnte L. davonlaufen. Dann brach er auf dem Bürgersteig zusammen. Hassan A. soll hinterhergerannt sein. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft habe er sich über sein am Boden liegendes Opfer gekniet, ihm seinen Revolver an die Stirn gehalten und abgedrückt. Doch es löste sich kein Schuss mehr.

Das Magazin des Revolvers war leer. Arif L. soll in diesem Augenblick die Hand von A. weggedrückt haben und erneut weggelaufen sein. Hassan A. soll seine Waffe nachgeladen haben. Die Polizeibeamten schossen ihm in den rechten Oberschenkel. Doch der 41-Jährige habe nicht aufgegeben. Er soll Arif L. weiter verfolgt haben, dann aber zusammengebrochen sein. Hassan A. saß auf dem Bürgersteig, setzte sich seinen Revolver an den Kopf und drohte abzudrücken. Drei Stunden redeten zwei Polizisten auf ihn ein, um ihn zur Vernunft zu bringen. Gegen 21 Uhr gelang es Spezialeinsatzkräften A. zu überwältigen. Womöglich wäre Arif L. gestorben, hätte Rana A. nicht zuvor die Polizei alarmiert.

Der 25-Jährige war an jenem 19. April mit ihr nach München gekommen. Wenige Monate zuvor hatte sich Rana A. von ihrem Mann getrennt und ein Verhältnis mit Arif L. begonnen. Zwischen den Eheleuten entbrannte ein Sorgerechtsstreit wegen der beiden gemeinsamen Kinder. Am Tattag hatte Rana A. einen Termin bei einer Sachverständigen des Familiengerichts. Die Gutachterin sollte klären, ob das Ehepaar seine Kinder noch erziehen kann. Auch Hassan A. hatte einen Termin bei der Gutachterin. Als er ging, lief er seiner Frau und Arif L. in die Arme.

Es soll sofort zum Streit gekommen sein. Aber die Situation soll sich wieder beruhigt haben, so dass Rana A. mit der Gutachterin sprechen konnte. In der Zwischenzeit gingen die Männer in einen Backshop in der Schleißheimer Straße und führten ein Gespräch.

Die Verteidigerin räumt nur ein: A. hat geschossen

Hassan A. soll äußerst aufgebracht gewesen sein. Denn Arif L. habe ihm klar gemacht, dass er seine Frau nicht zwingen könne, zu ihm zurückzukehren. In ihrer Anklage geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Angeklagte Arif L. "als Hauptverantwortlichen für das Scheitern seiner Ehe und den Verlust der beiden Kinder ansah". Darüber soll er derart erbost gewesen sein, dass er sich entschlossen habe, "diesen zu töten, um so reinen Tisch zu machen."

Hassan A. soll nach dem Gespräch nach Hause gefahren sein, um seinen Revolver zu holen. Anschließen sei er in die Schleißheimer Straße zurückgekehrt und wollte Arif L. wieder treffen. Doch der 25-Jährige war verschwunden. Hassan A. suchte L. und traf ihn vor einer Bäckerei. Inzwischen hatte L. Rana A. angerufen und sie aufgefordert, sofort die Polizei zu alarmieren.

Zum Prozessauftakt machte Hassan A. keinerlei Angaben zur Sache und zu seiner Person. Über seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Ricarda Lang, räumte er ein, geschossen zu haben. Wie viele Schüsse er abgegeben habe, so Lang, wisse ihr Mandant nicht mehr. Er habe "auch in die Luft geschossen" und nicht auf die Polizei.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2017
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