Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Ein Stück Mensch für 2500 Euro

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Von Ekkehard Müller-Jentsch

Schon die Beschreibung löst leichtes Schaudern aus: "Augen nicht vernäht, Mundöffnung mit verflochtenem Trödel versehen - im Nackenbereich lange Präparationsnaht. Ungewöhnlich ist der außerordentlich feine, auffällig gefärbte Haarschopf." In dieser Weise beschrieb ein Versteigerungskatalog des Münchner Auktionshauses Hermann Historica im Frühjahr 2014 ein ungewöhnliches Exponat: "Schön erhaltener, eindrucksvoller Schrumpfkopf." Mindestgebot: 2500 Euro.

Darf ein Stück Mensch versteigert werden wie ein präpariertes Tier? Die Stadt München sagte nein: Es handle sich hier um einen Leichenbestandteil, welcher der Bestattungspflicht unterliege. Am Donnerstag wurde der Fall vor dem Verwaltungsgericht München verhandelt.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden von einigen indigenen Völkern des Amazonasgebiets Köpfe von Feinden geschrumpft und als Trophäe, Schutz und Zaubersymbol verwandt. Das Auktionshaus sieht Schrumpfköpfe deshalb als kulturhistorische Objekte an, mit denen selbst staatliche Museen handeln - wie etwa auch Mumien oder Moorleichen.

Angebot alarmiert gleich mehrere Behörden

Das Angebot schreckte gleich einige Behörden auf: Kultus- und Gesundheitsministerium, die Regierung von Oberbayern und das städtische Friedhofsamt meinten übereinstimmend, dass der Kopf als menschliches Leichenteil unter das Bestattungsgesetz falle. Es müsse "durch den Inhaber des Gewahrsams", hier also das Auktionshaus, "unverzüglich in schicklicher und gesundheitlich unbedenklicher Weise beseitigt werden". Ausnahmen von der Regel: Das Körperteil dient medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken, oder als forensisches Beweismittel.

Rechtsanwalt Walter Kaiser wunderte sich in der Verhandlung, dass beispielsweise der umstrittene Gunther von Hagens seine plastinierten Leichenskulpturen aus rein kommerziellen Gründen ausstellen dürfe - das sei geschmacklos. Der Anwalt hält es für notwendig, dass die Frage, wie mit tatsächlich kulturhistorischen Exponaten umzugehen sei, einmal generell geklärt werden müsse.

Illegaler Handel mit "frischen" Schrumpfköpfen befürchtet

Die Stadt wirft dem Auktionshaus vor, den Schrumpfkopf vorzeitig an den Eigentümer aus Stuttgart zurückgegeben zu haben, noch bevor Fachleute der Behörden prüfen konnten, ob das Exponat tatsächlich so alt wie behauptet sei. Es gebe nämlich einen illegalen Handel mit "frischen" Schrumpfköpfen - manche Ureinwohner müssten deshalb um ihr Leben fürchten. Und außerdem konnte so auch nicht festgestellt werden, ob der Kopf tatsächlich wissenschaftlichen Zwecken diene.

Die Vorsitzende der 12. Kammer kritisierte, dass der amtliche Bescheid kein Verbot enthalten habe, den Kopf zurückzugeben - und den Namen des Besitzers habe das Auktionshaus, wie zu Recht amtlich angefordert, den Behörden mitgeteilt. Aus Sicht des Gerichts habe sich der Fall für München damit erledigt. Ob man das Verfahren bereits offiziell an die Kollegen in Stuttgart abgegeben habe, wollte die Vorsitzende wissen. Als die Vertreterin der Stadt nickte, sagte die Richterin noch: "Die Behörden müssen jetzt mal schauen, dass sie in dem Fall weiterkommen." Dann wurde das Verfahren eingestellt.

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SZ vom 19.06.2015
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