Süddeutsche Zeitung

Polizei:Wie ein Polizist von München aus Flüchtlinge vor Kos rettet

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In der Nacht erreicht ein Notruf die Einsatzzentrale in München: Vor der Insel Kos seien Flüchtlinge in Seenot. Eine spektakuläre Rettungsaktion beginnt.

Von Martin Bernstein, München

Ein deutsch-iranischer Münchner und geistesgegenwärtige Beamte des Polizeipräsidiums München haben in der Nacht zum Samstag acht Flüchtlingen das Leben gerettet. Die griechische Seenotrettung konnte nach einer gelungenen Telefonkette in letzter Minute eine afghanische Familie und zwei Iraner nahe der Insel Kos aus den Fluten der Ägäis ziehen und in Sicherheit bringen. Das havarierte Schlauchboot der Flüchtlinge war bereits gesunken.

Es war am Samstagmorgen gegen 1.50 Uhr, als die Beamten der Münchner Polizeieinsatzzentrale über die Notfallnummer 110 einen ungewöhnlichen Hilferuf erhielten: "Das Schlauchboot hat ein Loch!" Ein 53-jähriger Deutsch-Iraner war am Telefon. Er habe gerade den Anruf eines Freundes bekommen, berichtete der verzweifelte Münchner. Sein Freund sei aus Iran geflohen und über Izmir kommend in dieser Nacht zusammen mit einem weiteren Iraner und einer afghanischen Familie in ein Schlauchboot gestiegen, um damit die rund fünf Kilometer lange Überfahrt zur griechischen Insel Kos zu bewältigen. Doch jetzt verliere das Boot der Flüchtlinge Luft und sinke.

Die Münchner Beamten reagierten sofort und gaben den Notruf und die Handynummer des Flüchtlings ans Bundeskriminalamt weiter. Dieses wiederum alarmierte sofort die Behörden in der Türkei und in Griechenland. Ein Schiff der griechischen Seenotrettung legte ab und konnte knapp eine Stunde nach dem Münchner Notruf dank der Handydaten die Unglücksstelle orten. Die Flüchtlinge - unter ihnen kleine Kinder - trieben bereits im offenen Meer. Auch ein Fischer hatte die Verunglückten zufällig entdeckt, sein Boot wäre jedoch zu klein gewesen, um alle Flüchtlinge retten zu können.

Die griechische Seenotrettung nahm die Flüchtlinge an Bord, versorgte sie und brachte sie zur Insel Kos. Die erste Frage der griechischen Retter an die Havarierten: "Wer von ihnen hat in München angerufen?" Die Geretteten seien überglücklich, berichtete der Münchner Kontaktmann, der die länder- und behördenübergreifende Rettungsaktion durch seinen Anruf ins Rollen gebracht hatte. Immer wieder kentern und ertrinken Flüchtlinge auf der gerade im Herbst gefährlichen Überfahrt zwischen der türkischen Bodrum-Halbinsel und Kos. Das Bild von der Leiche des dreijährigen Aylan Kurdi aus der nordsyrischen Stadt Kobane am Strand von Bodrum hatte Anfang September Öffentlichkeit und Politik nicht nur in Deutschland aufgewühlt.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2015
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