Süddeutsche Zeitung

Pegida-Demo am 9. November:Wie München sich gegen Pegida wehrt

Lesezeit: 3 Min.

Von Dominik Hutter

Wenn es nur nicht ausgerechnet ein Montag wäre. Aber in diesem Jahr fällt der 9. November, jenes historisch vorbelastete Datum, ausgerechnet auf den Wochenbeginn - und den hat Pegida für sich vereinnahmt. Jenes in München sehr überschaubare Grüppchen, das mit seinen regelmäßigen Aktionen einfach mal eben die Montagsdemonstrationen in der untergegangenen DDR "zitiert". Gerade so, als wäre es den damaligen Regimegegnern mit ihren "Wir sind das Volk"-Rufen um offenen Rassismus gegangen.

Dass Pegida, das sich so gerne als Plattform besorgter Bürger geriert, längst in dieser Ecke angekommen ist, steht für die Gegner der Islam-Gegner inzwischen außer Frage. Zu eindeutig sind die Parolen gegen Migranten, die in Pegida-Kreisen längst als Synonym für radikale Muslime, kriminelle Ausländer und überhaupt alles Fremde und Böse herhalten müssen.

Wie die Pegida-Demo am Odeonsplatz verhindert werden soll

Pegida habe einen "klar rechtsradikalen Charakter", hat der Verein "München ist bunt" festgestellt. Der repräsentiert, trotz seines Sponti-Namens, ein breites Spektrum etablierter Münchner Kreise: aus der Politik, Kultur, Religion und den Sozialinitiativen. SPD und CSU sind dabei, die Grünen, die Staatsoper, die Kammerspiele, das Volkstheater, das Feierwerk und der Flüchtlingsrat, um nur ein paar zu nennen.

"München ist bunt", aber auch das Kreisverwaltungsreferat wollen unbedingt verhindern, dass ausgerechnet am 9. November "Volksverräter"-Rufe über den Odeonsplatz hallen.

Mit unterschiedlichen Methoden: "München ist bunt" will eine Gegendemo auf die Beine stellen, die verhindern soll, dass sich Szenen abspielen wie am 12. Oktober. Damals erklommen polizeibekannte Rechtsradikale, die zuvor bei Pegida mitmarschiert waren, die Feldherrnhalle und skandierten "hasta la vista antifascista", einer hob den rechten Arm wie zum Hitlergruß. Pegida hat sich bis heute nicht von dieser Aktion distanziert, genauso wenig wie von den unter Neonazis beliebten Rufen nach dem "nationalen Widerstand". Oder der Reichskriegsflagge, die in der Menge wehte.

Von völkischen Parolen und Allmachtsphantasien

In den Reden und Beiträgen wimmelt es von völkischen Parolen und Allmachtsphantasien. Gegner sollen wegen "Volksverrats" vor Gericht gestellt und natürlich abgeurteilt werden. Oder - wie aus dem in Dresden gezeigten Galgen ersichtlich - am besten gleich ganz eliminiert.

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle hat sich deshalb für ein Demo-Verbot entschieden. Nicht am 9. November, nicht an diesem Ort, lautet die Linie der Ordnungsbehörde, die erneut hofft, damit vor Gericht durchzukommen. In der Vergangenheit war sie damit mehrmals gescheitert. Die Verwaltungsgerichte sahen den ziemlich eng gefassten Paragraphen des Versammlungsgesetzes nicht erfüllt, der ein Verbot oder eine Verlegung zulässt. In Verbindung mit dem historischen Datum rechnet sich Blume-Beyerle nun bessere Chancen aus.

Wo Pegida demonstrieren will

Pegida hat inzwischen zwei Demonstrationen für den 9. November angemeldet. Eine an der Feldherrnhalle, die derzeit offiziell verboten ist - nach Auskunft des Kreisverwaltungsreferats hat Pegida gegen diesen Bescheid bislang keinen Widerspruch eingelegt.

Die zweite soll von der Münchner Freiheit über die Leopoldstraße bis zum Siegestor und wieder zurück gehen. Zunächst war unklar, wie die Behörde mit dieser Anmeldung umgehen will. Demonstrationen müssen stets einzeln beurteilt werden, es gibt kein Pauschal-Veto. Jetzt hat die Stadt entschieden und untersagt auch die zweite von Pegida geplante Demo - zumindest für den Montag. Das KVR verlegt die Versammlung an der Münchner Freiheit auf den 10. November.

Im Rathaus ist man sich uneinig, wie man mit den Islam-Gegnern umgehen soll

Die Schwabinger Demo steht unter dem Motto "Fall der Mauer am 9.11. Mit friedlichen Spaziergängen die Politik gestalten, damals wie heute". Pegida macht sich damit den Umstand zunutze, dass der Mauerfall 1989 ebenfalls am 9. November stattfand. Rein zufällig, anders als die Ereignisse von 1918, 1923 und 1938, die miteinander zusammenhängen. Zusätzlich kapert sich Pegida damit erneut das Erbe der unblutigen Revolution in der DDR.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die radikalen Islam-Gegner eines Mottos aus der Vergangenheit bedienen. Im September, als Pegida gerichtlich eine Demo-Route durchsetzte, die einem Streifzug durch die Münchner NS-Geschichte gleichkam, berief sich die Organisation auf die Türkenkriege des 17. Jahrhunderts. Und übersah dabei, dass der Obelisk am Karolinenplatz keineswegs - wie von Pegida behauptet - an die bayerischen Opfer der Türkenkriege erinnert, sondern an die des Napoleon-Feldzugs von 1812. Aus Sicht von Ordnungschef Blume-Beyerle war der Bezug aber ohnehin ein "Witz" und diente lediglich der Provokation.

Im Rathaus ist umstritten, ob es das Kreisverwaltungsreferat immer wieder und wieder versuchen soll, die Pegida-Auftritte an historischem Ort zu untersagen (oder sie zu verlegen). Blume-Beyerle findet nicht, dass es einer Verwaltung gut ansteht, ständig Bescheide zu erlassen, die anschließend von einem Gericht als rechtswidrig kassiert werden. Allerdings spricht er nach den Beobachtungen der vergangenen Wochen inzwischen von einer "Neubewertung der Sachlage". Die Gegenseite findet, dass es der Stadt gut ansteht, offensiv Flagge gegen Rechts zu zeigen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2722779
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.11.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.