Süddeutsche Zeitung

Bühne:Erinnern an die Shoah

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Die Wiederaufnahme des so sehenswerten wie wichtigen Stücks "Götz & Meyer" im Pathos München.

Von Sabine Leucht

Martin Kindervater sind schon einige kluge Theaterabende gelungen. "Götz & Meyer" ist einer davon - und wie aktuelle antisemitische Umtriebe nicht nur bei der documenta zeigen, gerade immens wichtig. Am Schluss der Produktion, die nun wieder im Pathos zu sehen ist, werden die Zuschauer in einen Bus geführt, in dem jeder den Namen eines verschollenen Vorfahren des Ich-Erzählers in David Albaharis gleichnamigem Roman bekommt. "Götz" und "Meyer" heißen die Fahrer der Lkw, in denen rund 5000 Belgrader Juden auf perfideste Weise erstickt wurden.

Der für eine Freie-Szene-Produktion sehr aufwendige und mit Olaf Becker, Eszter Tompa und Valentin Mirow glänzend besetzte Abend macht das Grauen der Shoah ahn- und die Banalität des Bösen greifbar, spart nicht mit Schokobonbons, die Götz und Meyer ihren jüngsten Passagieren gaben, und führt die Zuschauer an den Gedanken heran, jetzt genau könnte die letzte Minute ihres Lebens sein.

Bei der Vorab-Recherche zur transgenerationalen Traumaweitergabe hat das Team auch mit Joram Ronel gesprochen. Ronel hat in München das Café Zelig gegründet, einen Austausch- und Erinnerungsort, von dessen dringender Notwendigkeit das Stück implizit auch erzählt. Ist der Roman eine Art Puzzle aus dokumentarischen und phantastischen Steinchen, "eröffnen sich auch auf der Bühne immer wieder neue Welten, Orte und Ästhetiken", so die Dramaturgin Christina Hommel. Was mit einer Vortragssituation beginnt und auch groteske Momente hat, überrascht dazwischen mit einer naturalistischen Kulisse: Eine "braune" Schrankwand steht laut Hommel vordergründig für eine bürgerliche Idylle, "hat aber noch die Traumata der Vergangenheit in und hinter den Schränken, die sich nicht vertreiben lassen." Allein, wie der Abend das zeigt, lohnt schon den Besuch.

Götz & Meyer, Mi., 29. Juni, bis 2. Juli, Pathos München, Dachauer Str. 110D, www.pathosmuenchen.de . Eine Dokumentation über das Café Zelig ist derzeit im Kino zu sehen, u. a. am 3. Juli mit anschließender Diskussion ( www.neuesrottmann.de )

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