Süddeutsche Zeitung

Pasing:Immobilienpoker auf Kleingarten-Grund

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Investor lässt ohne Genehmigung einen Autohändler im Parzellen-Areal seine Geschäfte betreiben. Im Hintergrund tobt ein Kampf um Pachteinnahmen und eine mögliche Bebauung des Geländes

Von Jutta Czeguhn

Wir zahlen keine Pacht, das Gelände gehört uns, wir haben es 2015 vom Bundeseisenbahnvermögen gekauft", sagt Jürgen Klässner. Er ist Abteilungsleiter der Tennisabteilung des ESV Pasing, die auf den ehemaligen Flächen der Bahn an der Pasinger Haberlandstraße seit 1967 ihre Anlage hat. Auch wenn die Sportler als Hausherren ihrer insgesamt acht Plätze samt Vereinsheim in einer komfortablen Situation sind, beobachten sie genau, was bei ihren Nachbarn, den Pasinger Kleingärtnern, vor sich geht. "Ganz logisch, der will die Schrebergärten weg haben", sagt Klässner und meint die Fortune Grundstücksverwaltung GmbH, welche den ehemaligen Bahngrund mit den 144 Gartenparzellen 2010 gekauft hat und seit kurzem auf dem Areal an der Ecke Haberland-/Lotzingstraße einen Autohändler seine Geschäfte betreiben lässt. Dafür wurden Bäume gefällt, und das Gelände am Zaun bei der Tennisanlage planiert.

Aktivitäten, die auch der Politik nicht verborgen blieben: SPD und CSU im Stadtrat halten die Abholzaktion und die gewerbliche Nutzung für einen ungenehmigten Eingriff, der zum Ziel habe, die Kleingärtner zu vertreiben. "Wir fordern die Lokalbaukommission auf, schnell und entschlossen zu handeln. Wenn unsere Vermutungen stimmen, muss umgehend der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden. Dabei ist völlig klar: Alle Kleingärten in Pasing bleiben erhalten!", sagt SPD-Stadtrat Christian Müller. Auch für die CSU-Fraktion im Stadtrat ist es unabdingbar, dass das Vorgehen des Investors sanktioniert wird: Er müsse den gefällten Baumbestand durch eine vergleichbare Neupflanzung ausgleichen.

In der zuständigen Lokalbaukommission (LBK) sei die Entwicklung an der Haberlandstraße seit dem 7. Dezember bekannt und nun in der Prüfung, sagt Ingo Trömer vom Planungsreferat. Der Sprecher bestätigt, dass die Fortune Grundstücksverwaltung GmbH weder für die Einrichtung des Autohandels, noch die Planierung und die Baumfällungen eine Genehmigung vorlegen könne. Für den Bereich gebe es keinen Bebauungsplan und kein Baurecht. Im Flächennutzungsplan lauteten die Festsetzungen: Kleingarten, Sport und ökologische Vorrangfläche. "Eine gewerbliche Nutzung oder Wohnbebauung sind dort nicht möglich", erklärt Trömer. Der Investor könne nun seine Stellungnahme bei der Lokalbaukommission abgeben. Sollte das Verfahren zu Ungunsten des Investors entschieden werden, könne man ein Bußgeld gegen ihn erheben und ihn auffordern, das Gelände in seinen ursprünglichen Zustand zurückzubauen. Der Sprecher des Planungsreferats erklärt zudem, dass am 24. Oktober ein Antrag auf den Bau eines Arbeiterwohnheims bei der LBK eingegangen sei - für jene Fläche, auf der jetzt der weiße Container des Autohändler steht. Den Antrag habe die Lokalbaukommission am 23. November abgelehnt.

Von ihm sei der Antrag nicht gekommen, sagt der Geschäftsführer der Fortune Grundstücksverwaltung, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, der aber nichts dagegen hat, wenn man seine Firma nennt. Er habe einen Teil des Geländes mittlerweile weiterverkauft, der andere Eigentümer habe den Antrag gestellt. Dessen Namen will er nicht verraten. Was den Autohändler angeht, so sei dieser nur vorübergehend dort. Es handle sich um einen Unternehmer, der seinen angestammten Platz an der Landsberger Straße habe räumen müssen und der deshalb dringend eine neue Bleibe gesucht habe. Der Fortune-Geschäftsführer glaubt deshalb nicht, dass eine Genehmigung notwendig sei. Zudem verweist er auf die Autohändler stadtauswärts an der Bodenseestraße. Diese seien, behauptet er, "auch alle nur geduldet und nicht genehmigt".

Fragt man den Chef der Fortune Grundstücksverwaltung nach seinen Plänen mit der Kleingartenanlage, wird er ziemlich ungehalten. Vor allem wenn die Sprache auf die Bahn-Landwirtschaft kommt, einen Verein, den das Bundeseisenbahnvermögen und die Bahn eingerichtet haben, und der die 144 Gartenparzellen als Zwischenpächter verwaltet. Die Fortune hat es also immer mit der Bahn-Landwirtschaft zu tun, nie direkt mit den einzelnen Gärtnern. Ein Umstand, den der Investor schon kurz nach dem Kauf des Geländes hatte ändern wollen. Bislang ist ihm das aber nicht gelungen, auch nicht auf juristischem Wege.

Der Investor berichtet von Verfahren, in denen er zum einen Einsichtnahme in die Unterlagen des Generalpachtvertrags zwischen den Parzellen-Gärtnern und der Bahn-Landwirtschaft habe durchsetzen wollen. Denn der Investor ist der Meinung, dass ihm mehr Einnahmen aus der Pacht zustünden, als ihm die Bahn-Landwirtschaft überweist - derzeit sei das ein Anteil von zwölf Cent pro Quadratmeter und Jahr an den gesetzlich gedeckelten 34 Cent. "Was ich an Pacht einnehme, geht gegen Null", sagt er. Zudem habe er auf "verfassungswidrige Übermaßnutzung" geklagt. Er behauptet, Pächter der Anlage hielten sich nicht an die Vorgaben des Bundeskleingartengesetzes. Es gebe Keller, Küchen, Fernseher in der Anlage. Leute übernachteten dort, das Vereinsheim werde für Feste weitervermietet. Alles Verstöße, die es rechtfertigten, den Parzellengärtnern zu kündigen, glaubt der Fortune-Chef. Es sei Aufgabe der Bahn-Landwirtschaft, die Einhaltung der Vorgaben sicherzustellen.

Der Investor hat auch, das bestätigt die Staatsanwaltschaft München I, Strafanzeige gegen Karl-Heinz Bendner gestellt. Der Vorwurf gegen den Geschäftsführer der Bahn-Landwirtschaft, Bezirk München, lautet auf falsche Versicherung an Eides statt im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München I. Bendner selbst spricht von etlichen gerichtlichen Verfahren, manche seien abgeschlossen, andere noch nicht. Er sieht darin Versuche, die Bahn-Landwirtschaft als Zwischenpächter loszuwerden und einen höheren Pachtzins zu erzielen. Dabei übersehe der Investor, was der Verein Bahn-Landwirtschaft als Verwalter der Anlage alles leiste. Unter anderem regelmäßige Kontrollen, ob alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten würden. Bendner bestätigt, dass es Verstöße und Abmahnungen von Pächtern gegeben habe, auch Kündigungen. Ob der Investor die Gärtner vertreiben könne? Der Gesetzgeber, sagt Karl-Heinz Bendner, habe hohe Hürden gesetzt, was die Umwandlung einer Kleingartenanlage in Bauland angehe. Letztlich aber liege die Planungshoheit bei der Stadt.

Sollte den Pasinger Kleingärtnern die "verfassungswidrige Übermaßnutzung" nachgewiesen werden können, glaubt der Geschäftsführer der Fortune Grundstücksverwaltung GmbH, könne er den Pächtern kündigen. Und auf diesem Weg zu Baurecht kommen. Bis zu 1500 Euro könnte dann ein Quadratmeter in dieser Lage wert sein. Doch zugleich relativiert er. Er sehe das Ganze auch als eine Art "Spiel" und fügt an: "Die Wahrscheinlichkeit liegt bei einem Prozent, dass ich das erlebe."

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Quelle:
SZ vom 18.12.2017
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