Süddeutsche Zeitung

Keine Kontrolle der Wiesnwirte:Auch so macht man Populisten groß

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Die Stadt sieht davon ab, die Umsatzpacht bei den Oktoberfestzelten zu überprüfen. So entsteht ein fataler Eindruck: lieber nicht so genau hinschauen, wenn's um Großverdiener geht.

Kommentar von Franz Kotteder

Was wäre wohl los, wenn irgendeine soziale Einrichtung oder gar ein Flüchtlingshilfeprojekt der Stadt gegenüber falsche Angaben gemacht hätte, um 100 000 Euro zu sparen? Sofort kämen da die Forderungen nach "lückenloser Aufklärung", vermutlich sogar von allen Parteien, und die Verwaltung würde selbstverständlich "alles auf den Prüfstand stellen", wie das so schön heißt. Und zwar nicht nur in der betroffenen Einrichtung, sondern auch in allen möglichen anderen. Damit so etwas nicht wieder vorkommen kann.

Für das Oktoberfest gelten aber offenbar ganz andere Gesetze. Da heißt es: Wenn wir per Zufall einen erwischen, dann ist damit die Angelegenheit für uns erledigt! Das ist aberwitzig - noch dazu, weil es ja um einen eng begrenzten Personenkreis geht, der zu überprüfen wäre. War nun Wiesnchef Josef Schmid (CSU) der Ansicht, er habe die Wiesnwirte mit seiner Forderung nach einer Bierpreisbremse schon genug gezwiebelt und wollte jetzt den Ball flach halten? Oder hat das Referat für Arbeit und Wirtschaft gemerkt, dass seine Kriterien für die Umsatzpacht missverständlich und lückenhaft sind und dass eine erneute Überprüfung auch das ergeben würde?

Schließlich steht das ganze Konstrukt Umsatzpacht auf wackeligem Grund: So wird sie nur von Betrieben erhoben, die Alkohol ausschenken, nicht aber von Schaustellern. Bei denen gibt es neben vielen kleinen auch einige, die sich auf der Wiesn jedes Jahr eine goldene Nase verdienen. Was aber könnte sonst der Grund sein, auf eine erneute Prüfung durch einen Unabhängigen, der schon bei der ersten Stichprobe einen groben Fehler sah, zu verzichten? Die treuherzige Bemerkung, man habe nach der Panne selber noch einmal genauer hingeschaut, ist nicht sehr überzeugend.

Tatsächlich hält sich der finanzielle Schaden für die Stadt ja sehr in Grenzen. Was in einem Jahr fehlt, holt sie sich im nächsten Jahr von den Wirten wieder. Insofern nützen fehlerhafte Angaben auch den Wirten nichts. Viel schlimmer ist der Eindruck, der in der Öffentlichkeit entsteht: dass man lieber nicht so genau hinschaut, wenn's um Großverdiener geht. Auch so macht man Populisten groß.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2018
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