Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:Entspannt in den Wahnsinn

Anzapfen? Zwei dumpfe Schläge und fertig. Spannender ist sowieso das Drumherum.

Von Elisa Britzelmeier, Gebina Doenecke und Ingrid Fuchs

Ein nächtlicher Sparziergang auf der Wiesn? Nein, dieses Bild ist am frühen Morgen entstanden. Die ersten hartgesottenen Wiesnfans schlendern an den noch geschlossenen Fahrgeschäften, Buden und Bierzelten entlang.

Vermutlich haben sie sich in die Schlange der Wartenden vor den Festzelten eingereiht. Denn nur wer früh genug dran ist, hat eine Chance auf einen Platz im Zelt.

Drinnen werden noch letzte Vorbereitungen getroffen. Diese Bedienungen stecken sich ihre Hauben vor dem Ansturm der Massen ordentlich fest.

Auch Spürhund Anton ist schon vor dem Anstich zum Sicherheitscheck im Einsatz: Das Bierfass im Schottenhamel-Zelt, das von Oberbürgermeister Reiter angezapft wird, wird auf Sprengstoff untersucht.

Die 182. Wiesn dauert bis zum 4.Oktober 2015. Erwartet werden etwa sechs Millionen Besucher aus aller Welt. In den Morgenstunden warten sie schon sehnsüchtig auf das erste Bier.

Einige haben schon vor dem Anstich sehr gute Laune - was auf dem größten Volksfest der Welt ja nicht ungewöhnlich ist. Und so mancher Wiesn-Besucher soll ja auch schon vorglühen.

Mit zwei Schlägen geschafft - dann überreicht der Münchner Oberbürgermeister die erste Mass traditionell dem bayerischen Ministerpräsidenten. Danach kommen gleich die Ehefrauen dran, die natürlich beide Dirndl tragen - anders als 2008 Marga Beckstein, die Frau des damaligen Ministerpräsidenten. Deren Kostüm im Landhaus-Stil war damals großes Diskussionsthema und ging als "Dirndl-Gate" in die Wiesn-Geschichte ein. (Von links: Karin und Horst Seehofer, Petra und Dieter Reiter).

Um 12 Uhr ist es für die Menschen in und vor den Zelten endlich soweit. Das Bier fließt. Die meisten Besucher sind in Tracht da - doch so mancher erscheint in eher eigenwilligem Outfit.

Zum Beispiel dieser Amerikaner, dem ein maßgeschneiderter weiß-blauer Rautenanzug passend fürs Oktoberfest scheint.

Wer nicht durch seinen Aufzug auffällt, der versucht es mit seinem Verhalten.

Die neue Form der Hipsterbrille? Um modischen Ansprüchen gerecht zu werden, greifen manche notfalls auch zum Modell mit Fensterglas. Dieses Gerät hier macht die Sicht mittelfristig zwar eher schlechter - stillt dank praktischer Strohhalmfunktion aber den Durst.

Auch diese Frau legt ein eher ungewöhnliches Trinkverhalten an den Tag. Vielleicht entfaltet das Wiesnbier so aber auch einfach ganz neue ungeahnte Aromen.

Tradition gibt es aber auch zu bestaunen: Touristen können sich dieses Jahr wieder über verschiedene Kopfbedeckungen freuen, vom Gamsbart bis zu langen Federn auf den Häuptern gestandener Männer.

Wer nicht rechtzeitig ins Zelt kommt, kann draußen sein Geld für Luftballons statt Bier ausgeben.

Oktoberfest

Imposant: Ein Trachtler aus der Hallertau mit einem Hopfenkranz auf dem Hut.

Glücklich sind die, die es dann später in die Zelte schaffen - und das sofort per Handy dem gesamten Freundeskreis mitteilen.

Und ganz besonders wichtig: Ein Wiesn-Selfie. Na dann: Prost! Weitere Texte zum Oktoberfest finden Sie hier.

Das Wiesn-Bier ist stärker, die Luft im Festzelt sauerstoffärmer, die Müdigkeit kommt plötzlicher daher. Da kann es schon passieren, dass einen die Erschöpfung übermannt. Wer sich am ersten Wiesn-Samstag schnell genug bis zu diesem Punkt trinkt, findet auf dem Kotzhügel auch noch ein Plätzchen, das fast wie unberührte Natur aussieht.

Entrückter Blick, glückseliges Lächeln - da möchte man doch gerne wissen, wer die Holde ist, die so angehimmelt wird.

Düstere Aussichten am Abend: Über Stunden haben sich die Wolken über München zusammengezogen, irgendwann wurde es zuviel und der Regen platze aus ihnen heraus. Auch am Sonntag müssen sich Wiesn-Besucher wasserfest anziehen.

Eigentlich ist München ja die nördlichste Stadt Italiens. Das gilt aber nur elfeinhalb Monate im Jahr. Denn in diesen 16 Wiesntagen macht Monaco nochmal eine ganz andere Verwandlung durch - und lässt sich, zumindest in der Dämmerung und mit etwas Wohlwollen - auch in den Bundesstaat Nevada denken. Bavarian Las Vegas quasi. Genügend Verrücktheit und Entrücktheit wäre vorhanden.

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