Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest-Bedienungen:Die vier Brüder vom Weinzelt

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Eigentlich leben Leon, Noah, Simon und Jonas recht verstreut, aber an 16 Tagen im Jahr sind die Hiemer-Brüder an einem Fleck - zum arbeiten auf der Wiesn.

Von Franz Kotteder

Ja, wie viele gibt's denn davon noch? Das hatten sich die Kollegen der Hiemers in den vergangenen Jahren dann schon gefragt, weil zu jedem Oktoberfest wieder ein neuer hinzustieß zur Service-Truppe des Weinzelts. Leon Hiemer hatte mit 18 Jahren angefangen, 2012, damals in der Sektbar des Weinzelts. Drei Jahre später folgte dann sein jüngerer Bruder Noah nach. Inzwischen bedienen beide, jetzt 23 und 24 Jahre alt, oben in den Boxen der Galerie.

Später folgte dann noch Bruder Simon, 26 - erst ein Jahr im Garten vor dem Zelt, dann ebenfalls in der Box. Und auch der älteste der vier Brüder, Jonas, 30, ist nun Weinzelt-Kellner, draußen im Garten. Mit Nachnamen heißt er John, er stammt aus der ersten Ehe der Mutter. Damit ist das Kontingent aber erschöpft, mehr Hiemer-Kinder gibt es nicht.

Eine ganze Familiengeneration in einem Zelt als Bedienungspersonal - das dürfte es nicht allzu oft geben auf dem Oktoberfest. Aber es kommt noch besser. "Eigentlich ist das die einzige Zeit im ganzen Jahr", sagt Simon Hiemer, "in der wir alle zusammen auf einem Fleck sind." Denn die vier sind zwar zusammen in Traunstein aufgewachsen, haben sich aber längst in alle Winde zerstreut.

Noah studiert Tourismus in Wien, Leon Sportmanagement in München, Simon macht ein Online-Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre, betreibt aber zugleich eine Kitesurf-Schule am Gardasee, hat auch eine Weile auf den Philippinen gelebt. Und Jonas ist sowieso dauernd unterwegs. Er arbeitet als Fotograf und Filmer, hat Aufträge in vielen Ländern der Welt. Für die Wiesn haben sie sich bei ihrer Mutter und beim Bruder Leon einquartiert.

Für die beiden Jüngsten ist der Job im Weinzelt eine günstige Gelegenheit, ihr Studium zu finanzieren. Die Arbeit sei vergleichsweise angenehm, sagt Noah, "das Publikum hier ist doch etwas anders als in den übrigen Zelten. Man legt mehr Wert auf Service. Schließlich gibt es hier auch ein Drei-Gang-Menü, es ist eigentlich fast wie in einem Restaurant". Weit mehr Familien seien hier zu Gast, ergänzt Simon, "es geht viel weniger um Vollgas-Party als in anderen Zelten auf der Wiesn".

Manche feiern trotzdem auf ihre Art und Weise besonders ausgelassen. "Da ist man schon beeindruckt", sagt Leon, "wenn einer die 15-Liter-Champagnerflasche für 4500 Euro bestellt." Vor allem, wenn dann noch ein bisschen Trinkgeld übrig bleibt.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2018
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