Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Deutschlands Draht ins All

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Von Otto Fritscher

"Calling Munich!" So melden sich die Astronauten aus der Internationalen Raumstation ISS, wenn sie Kontakt mit dem europäischen Kontrollzentrum aufnehmen möchten. Dieses German Space Operations Center (GSOC) steht sich zwar nicht in der bayerischen Landeshauptstadt, sondern weit vor deren Toren in Oberpfaffenhofen im Landkreis Starnberg. "Aber diesen Ortsnamen können Astronauten, die zudem aus unterschiedlichen Ländern kommen, gar nicht richtig aussprechen", sagt Thomas Kuch, der Leiter des Kontrollzentrums, und lacht. Hier, auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wird nun das 50-jährige Bestehen des Kontrollzentrums gefeiert.

71 Missionen sind in den vergangenen fünf Dekaden von hier aus gesteuert und überwacht worden. "Aktuell sind es drei Kommunikations- und fünf Erdbeobachtungssatelliten, die wir vom großen Kontrollraum aus kommandieren", sagt Kuch im Raumfahrer-Jargon. Zehn weitere Missionen sind in Vorbereitung.

An diesem Mittwoch ist es ruhig im Satelliten-Kontrollraum, die Arbeitsplätze mit ihren vielen Bildschirmen sind nur zeitweise besetzt. Gegenüber allerdings, im Kontrollraum für die Columbus, das europäische Forschungslabor auf der ISS, wird rund um die Uhr in drei Schichten gearbeitet. "Wir überwachen die Zusammensetzung der Luft, die Temperatur an Bord und andere wichtige Parameter", sagt Kuch, der seit 30 Jahren am GSOC arbeitet. "Und natürlich wünschen wir den Astronauten auch mal einen guten Morgen", fügt er hinzu. Ein Astronaut bleibt sechs Monate auf der Raumstation, da darf es ruhig etwas menscheln.

80 Mitarbeiter des Kontrollzentrum sind allein für ISS-Aufgaben zuständig, insgesamt arbeiten hier 400 Menschen. "Am 1. März 1968, als man anfing, waren es gerade mal ein Dutzend", sagt Kuch. Dass die Wahl des Standorts für das Zentrum auf den kleinen Ort Oberpfaffenhofen fiel, sei nicht weiter verwunderlich, denn zum einen war der Gemeindeteil von Weßling schon in den Dreißigerjahren mit dem Dornier-Werk ein Luftfahrt-Standort, zum anderen befand sich schon der Vorläufer des DLR auf dem Gelände.

Seit 3673 Tagen wird von hier aus nun schon das Labor Columbus überwacht. Daneben gibt es zahlreiche Satelliten für unterschiedliche Aufgaben wie Kommunikation, Erdbeobachtung und Navigation. Sie werden nach ihrem Start auf einer Trägerrakete in die vorgesehene Umlaufbahn gelotst, im Orbit getestet und funktionsfähig gemacht. Oft werden die Satelliten auch während ihrer gesamten Lebensdauer vom Kontrollzentrum aus betrieben.

Anspannung bei jeder Mission

Und wenn etwas schief läuft? Wenn etwa eine elektrische Leitung zu schmoren beginnt und ein Feuer droht? "Nein, dann gibt es bei uns nicht wie im Raumschiff Enterprise ein Sirenengeheul und Lichtgeflacker. Aber auf unseren Bildschirmen würden die Alarme rot angezeigt", sagt Kuch. Doch so weit soll es nicht kommen. Auf ihren Konsolen haben manche Mitarbeiter, sämtlich Ingenieure, Talismane aufgestellt: einen Bauarbeiterhelm oder auch einen Wichtel.

Ist denn schon mal etwas schief gelaufen? Kuch muss da nicht lange nachdenken. "Bereits meine erste Mission war leider kein Erfolg", sagt er. Das war 1987 mit TV-Sat 1, dem ersten direktausstrahlenden Fernsehsatelliten. "Eines der beiden Solarpaddel hat sich nicht ausklappen lassen", sagt Kuch. "Wir haben damals den Satelliten mit Hilfe seiner Düsen gerüttelt und geschüttelt, aber da ließ sich nichts machen", erinnert sich Kuch.

So wurde TV-Sat 1 schließlich in den Friedhofs-Orbit geschickt, also zirka 200 Kilometer oberhalb der geostationären Umlaufbahn in 36 000 Kilometern über dem Äquator. "Dort oben kreist er noch immer", erklärt Kuch, der Elektrotechnik studiert hat. "Obwohl ich jetzt schon fast 50 Missionen mit dabei war, bin ich immer noch jedes Mal angespannt. Nach dem Start der Columbus im Jahr 2008 war ich erst entspannt, als die Astronauten an Bord das Licht eingeschaltet haben."

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Quelle:
SZ vom 01.03.2018
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