Süddeutsche Zeitung

Obermenzing:Habe die Ehre

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Großer Auftrieb beim Festabend zum 600. Geburtstag des Obermenzinger Gasthofs Alter Wirt

Von Jutta Czeguhn, Obermenzing

"Öha, flott!", denkt der Gast, als er am Freitagabend sein Radl bei der Pfarrkirche St. Georg abstellt und zum Alten Wirt hinüber geht. "We'll do the twist, the stomp, the mashed potato too, any old dance that you wanna do, but let's dance", fetzt es da immer lauter, je näher man dem Wirtshaus kommt. Werden etwa beim Festabend zum 600. Geburtstag des Alten Wirts zu Partykrachern aus den Sechzigern Hüften und Kniescheiben verdreht?

Doch drinnen, die knarzende Holztreppe hinauf zum schönen Festsaal, wird einem rasch klar, dass die Welt noch nicht aus den Fugen geraten ist. Das Duo "Knöpf und Soatn" empfängt mit authentischer Gute-Laune-Volksmusik, die Show-Band im vollgesetzten Biergarten ist nun gar nicht mehr zu hören.

Vor der Tür zum Saal passt auch Adolf Thurner, Obermenzings Dorfschreiber und vom Besitzer-Ehepaar Inge und Max Kerscher mit der Organisation des Abends betraut, die Gäste zur Begrüßung ab. Gerade ist er im Gespräch mit dem Kabarettisten Jürgen Kirner, von dem sie in Obermenzing und Pasing stolz bis neidig sagen, der hätt's nun geschafft. Was wiederum stimmt, Kirner, Chef der "Couplet-AG", hat im BR mit den "Brettl-Spitzen" eine eigene Fernsehsendung, und am Wochenende durfte er bei der ersten Münchner Rathausdult den Auktionator geben.

Doch Adi Thurner muss weiter, "Griaßt Eich!", er hat noch mehr Leute zu begrüßen. Wie die meisten ist er in Festtracht, in Obermenzing hält man auf Tradition. Man sieht die Dachauer Tracht, in der Vertreter des Volksmusik- und Volkstanzvereins "D'Blutenburgler" stecken. Die Frauen und Männer der "Würmtaler Menzing" wiederum schmückt wiederum eher die alpenländische Miesbacher Tracht.

Weil die Kerschers den Abend nicht mit ihrer Anwesenheit schmücken, hält Thurner die Festrede. Denn auch die Wirtsleute, Renate und Manfred Schlegl, müssen sich entschuldigen lassen. Renate ist im Bad ausgerutscht und liegt mit Brüchen im Krankenhaus, Max, so Thurner, "muass kocha", für die Festgesellschaft und auch für die Hunderten, die gerade seinen Biergarten bevölkern. Abgesagt hat auch Münchens zweiter Bürgermeister Josef Schmid (CSU), er ist erkältet. Auch wenn ihn jemand im Saal wähnt und dabei auf Romanus Scholz, den grünen Bezirksausschussvorsitzenden von Pasing-Obermenzing zeigt.

Doch sind genügend andere da: Vereins- und Brauereivertreter, der Künstler Josef Wahl, dessen Postkarte vom Alten Wirt seit 25 Jahren Werbeträger des Lokals ist. Und stellvertretend für die Geistlichkeit der katholische Pfarrer Klaus Günter Stahlschmidt, der auf Wunsch der Besitzer den Alten Wirt für die nächsten 600 Jahre segnet. Später am Abend werden zwei hohe Gestalten in dunklen Gewändern etwas zögernd durch die Tür kommen. Auch der Bischof vom nahen russisch-orthodoxen Kloster und ein Mönch geben dem alten Wirtshaus die Ehre.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2017
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