Süddeutsche Zeitung

Neuhausen:Endlich fertig

Lesezeit: 2 min

Gerichtliche Auseinandersetzungen, Bauverzögerungen, ein Wassereinbruch und dann noch Corona: Zehn Jahre nach der ersten Genehmigung soll das Kultur- und Bürgerzentrum "Trafo 2" am 1. Oktober eröffnet werden

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Eigentlich müsste sie jubilieren. Aber das entspricht nicht so dem Naturell von Ingeborg Staudenmeyer. Erst Verzögerungen, Verschiebungen, Vertröstungen, ein ums andere Mal, über Jahre hinweg, "und jetzt muss alles schnell, schnell gehen", knurrt die Vorsitzende des Stadtteilkulturvereins Neuhausen-Nymphenburg. Dabei müsse sie noch so viel prüfen: Funktioniert die Technik reibungslos? Wie lange dauert es, Tische und Stühle, "in zehn möglichen Varianten", aufzustellen? Wie oft muss geputzt werden? Um aber nun den Putzlappen zu lüpfen und die frohe Botschaft kundzutun: Das Kultur- und Bürgerzentrum, situiert hinter dem "Trafo" genannten Stadtbibliotheks- und VHS-Gebäude an der Nymphenburger Straße 171 a, geht demnächst in Betrieb.

Auf eine öffentliche Eröffnungssause werde man, aus sattsam bekanntem Grund, erst einmal verzichten müssen, bedauert Kulturreferatssprecherin Jenny Becker, "vielleicht ist im nächsten Frühjahr, wenn eine mögliche vierte Corona-Welle hinter uns liegt, ein großes Opening möglich." Aber ein kleines Fest zur offiziellen Übergabe der Räume an den Träger, den Stadtteilkulturverein, soll es doch geben, am 1. Oktober. "Und es wäre schön", fügt Becker hinzu, "wenn dann alles langsam in ein positives Fahrwasser gerät nach all den Verwerfungen, man die Querelen hinter sich lassen kann."

Von Beginn an schien dieses "Trafo 2" genannte Bauvorhaben - 15 Sozialwohnungen und eine Kinderkrippe in einem Gebäude an der Aldringenstraße, gekoppelt mit einem niedrigen Bau mit einem Veranstaltungssaal sowie Nebenräumen und einem Bistro - unter einem ungünstigen Stern zu stehen. Die erste Baugenehmigung von 2011 und auch die zweite von 2013 hat eine Eigentümergemeinschaft aus der Nachbarschaft mit ihren Klagen zu Fall gebracht. Bei einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung 2015 rangen Anwohner der Stadt allerlei Zugeständnisse beim Ausmaß des künftigen Kulturbetriebs und beim Lärmschutz ab. Nach der Umplanung musste das Gelände wochenlang Archäologen überlassen werden, weil im Boden Knochen gefunden worden waren. Fristen für neue Ausschreibungen verzögerten den Weiterbau, dann gab es nach starkem Regen einen Wassereinbruch, Teilbereiche wie das Untergeschoss des Kultursaals mussten zurückgebaut werden. Zudem fehlten aufgrund der überhitzten Bauwirtschaft oft die Firmen und Ingenieurbüros zur planmäßigen Ausführung der Arbeiten. Im Halbjahrestakt wurden Eröffnungstermine avisiert und wieder verschoben, das Wort vom "Neuhauser BER" machte die Runde, eine Anspielung auf den pannenbesetzten Flughafen-Neubau in Berlin.

Aber jetzt, endlich: "Tolle Räume, tolles Mobiliar", schwärmt Jenny Becker. Im Erdgeschoss ein 177 Quadratmeter großer Saal, der bis zu 300 Besucher fasst, das Bistro, ein Lagerraum und ein Büro für den Verein. Im ersten Stock befinden sich vier Räume für diverse Nutzungen, zwischen 28 und 52 Quadratmeter groß.

Bis Dezember sei der Trafo bereits ausgebucht, vermeldet Ingeborg Staudenmeyer. Zwei Ausstellungen seien gebucht, eine davon befasst sich kritisch mit den geplanten Hochhäusern an der Paketposthalle und ist bereits von 9. bis 23. September zu sehen. Bei den Neuhauser Kultüren - dem Wochenende der offenen Ateliers und Werkstätten am 9. und 10. Oktober - steht Künstlerinnen und Künstlern Platz zur Verfügung. Und dann seien da allerlei Vereinssitzungen, "VdK und so", sowie Weihnachtsfeiern vereinbart, schließt Staudenmeyer ihre Aufzählung etwas vage.

Das Kulturreferat versteht die neue Adresse an der Nymphenburger Straße als Angebot und Plattform für alle, die sich kulturell engagieren in Neuhausen-Nymphenburg. Sprecherin Becker drückt es so aus: "Es soll kein closed shop werden, hier sollen sich viele verschiedene Gruppen wohl fühlen." Becker verweist auf die erfolgreiche Eröffnung von "Luise", dem gemeinsamen Kulturtreff für Ludwigsvorstadt, Isarvorstadt und Sendling, im Juli. Da haben, sagt sie anerkennend, die Verantwortlichen trotz aller pandemiebedingten Einschränkungen wirklich ein tolles Programm für unterschiedliche Besuchergruppen geboten - Führungen, Dance-Workshops, eine Tape-Art-Aktion, eine Nähwerkstatt, mehrere Kurz-Konzerte mit den Münchner Philharmonikern und und und. Ein bisschen hört sich das an, als wolle das Kulturreferat ein aufmerksames Auge haben auf die Kultur im Trafo. "Das Programm wird so vielfältig wie die Bürgerinnen und Bürger im Stadtbezirk", verspricht Kulturreferent Anton Biebl. Immerhin erhält der Stadtteilkulturverein von der Stadt eine sechsstellige Summe im Jahr für seine Arbeit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5395775
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.08.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.