Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:In Syrien tragen die Rauchmelder Waffen

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Unser Autor raucht Shisha und wundert sich, dass in Deutschland der Umgang damit streng ist. In seine Heimat kam das Rauchverbot mit dem IS.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Ich bekenne freimütig: Ich rauche Shisha. Ob Melone-, Apfel- oder Traubenaroma - es ist ein Genuss. In Syrien habe ich oft im Kreise meiner Freunde geraucht, meist bei hitzigen politischen Diskussionen. Schon als Kind saß ich in der Stube meines Onkels, schaufelte Kohle in die Shisha und rauchte wie ein Weltmeister. So lernte ich, dass man nicht auf nüchternen Magen rauchen sollte. Die Welt dreht sich dann wie ein Karussell.

Ich erinnere mich an einen geselligen Abend in meinem Elternhaus in Rakka. Wir saßen auf einem wertvollen Teppich - der Stolz meiner Mutter. Dann hieß es: Jetzt wird geraucht. Also stürmte mein kleiner Bruder ins Zimmer.

Vor lauter Vorfreude stolperte er über den Teppich und plumpste gegen die Shisha - die Kohle landete auf dem Teppich. Da eilte auch meine Mutter ins Zimmer. Um das Missgeschick zu vertuschen, setzten wir uns auf die heiße Kohle, hielten es aber nicht lange aus. Meine Hose hat heute noch ein Brandloch - der Teppich hat mehrere.

In Deutschland ist der Umgang mit der Raucherei vergleichsweise streng. In München sucht man spezielle Raucherkneipen vergeblich. Aber immerhin gibt es einige Shisha-Bars. Jeder kann dorthin kommen. Auch Frauen, was in Syrien äußerst ungewöhnlich ist. Auch sind hier die Räume mit blinkenden Rauchmeldern ausgestattet.

In Syrien tragen die Rauchmelder Waffen. Ich erinnere mich gut an einen Vorfall während der Fußball-WM 2014. Wir schauten das Halbfinale der Deutschen, da stand plötzlich ein IS-Kämpfer in der Bar, befahl allen Rauchern, den Raum zu verlassen und deutete auf sein Gewehr.

Mit dem IS hat das Rauchverbot auch Syrien erreicht, wer es mehr als einmal bricht, landet im Gefängnis. Dort waren uns viele Freiheiten genommen; nur das Rauchen, das wollten wir uns nicht nehmen lassen. Also organisierte ich mit meinen Zellenkameraden eine aufgeschnittene Plastikflasche, Wasser, einen Strohhalm und Zigaretten-Tabak: daraus bastelten wir uns eine Shisha und rauchten.

So sahen die letzten Jahre und Monate in Syrien aus. Die Balkone, auf denen wir rauchten und ratschten, gibt es nicht mehr. Die Kinder in Rakka atmen jetzt den Rauch von Giftgasbomben.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2018
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