Süddeutsche Zeitung

Musik in München:Wirtschaftsfaktor Pop

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Von Michael Bremmer

Statt Astra gab es Weißbier aus dem Fass. Auch die aufblasbaren Brezn im Sommersalon direkt am Spielbudenplatz irritierten die Besucher des Reeperbahnfestivals in Hamburg nur am Rande.

Aber statt Blasmusik blies den Musikkennern im September des vergangenen Jahres energetischer Alternative-Rock von Blackout Problems entgegen - so haben sie sich die "Bayern-Export-Session" nicht vorgestellt. Und Mario Radetzky, Sänger, Gitarrist und Songwriter der Münchner Band, musste im Anschluss an das Konzert Unmengen an Visitenkarten tauschen, "vor allem mit osteuropäischen Konzertveranstaltern", sagt er.

Der Fan-Anteil auf dem Reeperbahnfestival - oder vergleichbar: das Eurosonic in Groningen - ist gering, es wird hauptsächlich von Fachpublikum besucht: Musikmanager, Mitarbeiter von Plattenfirmen und Konzertagenturen. Es zählt zu den wichtigsten Treffpunkten der Musikwirtschaft weltweit - und geht es nach den Wünschen von fünf Münchner Musikmanagern, soll nun auch in der bayerischen Landeshauptstadt ein Festival mit dieser Ausrichtung entstehen.

Julia Viechtl, Andreas Puscher, Stefan Schröder, Marc Liebscher und Fabian Rauecker haben einen Verein zur Förderung der Popkultur in München gegründet und werden erstmals im Oktober die "manic street parade" organisieren - ein Musikfestival mit internationalen Pop-Newcomern in fünf Clubs, die in Laufweite voneinander entfernt liegen. Ein Konzept, das mit den Jahren wachsen soll und das, wenn sich das Festival entwickelt, "Strahlkraft für München haben könnte", sagt zumindest Fabian Rauecker.

Aber braucht München überhaupt noch ein zusätzliches Festival? Am Wochenende hat das Rockavaria das Rockerherz erfüllt, es gibt auch lokale Branchentreffpunkte wie das Klangfest oder das "Sound Of Munich Now". Aber keines dieser Festivals hat eine derartige Außenwirkung, dass national oder international tätige Musikmanager alleine deswegen nach München kommen - zumindest kaum welche, die außerhalb Bayerns aktiv sind.

Auch im Kulturreferat zeigt man sich generell offen für das neue Festival

Die Münchner Musikszene bekommt daher kaum überregionale Beachtung. Was die Popmusik angeht, "hat München an Relevanz verloren", urteilt Rauecker. Er hat bereits vereinzelt beobachtet, dass Bands, die nur für drei oder vier Konzerte nach Deutschland kommen, eine Show in München auslassen und stattdessen in Berlin, Hamburg und Köln spielen. Auch aus Image-Gründen. "München hinkt da ein bisschen hinterher."

Eine Aussage, die Münchens Bürgermeister Josef Schmid (CSU) nicht gefallen dürfte. "Der gesamte Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft, zu dem die Popkultur zählt, ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschafts- und Imagefaktor für eine Großstadt wie München", sagte er auf Anfrage. "Ich finde, dass es München gut zu Gesicht steht, neben der Hochkultur auch die Popkultur zu fördern und stark zu machen. Für weitere Ideen und Projekte - beispielsweise ein Leuchtturmfestival für München - bin ich sehr aufgeschlossen."

Auch im Kulturreferat zeigt man sich generell offen für das neue Festival. Ob allerdings "die Übertragung von Festivalformaten aus anderen Städten sinnvoll ist, bleibt dahingestellt", erklärte Jennifer Becker. "Jede Stadt hat ihre eigenen Rahmenbedingungen, Akteure und ihr eigenes Publikum - das ist ja das Schöne."

Jürgen Enninger, Leiter des Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt München, möchte sich erst einmal das Konzept im Detail vorstellen lassen, er steht aber der Idee offen gegenüber. Es gibt allerdings - hinter vorgehaltener Hand - auch andere Stimmen. So wird kritisiert, dass jeder nur sein Festival in den Vordergrund rückt, statt bestehende Dachmarken zu stärken.

"München könnte sich mit so einem Festival gut positionieren", sagt hingegen Bernd Schweinar vom Verband für Popkultur in Bayern. München und auch die Münchner Popszene habe das Potenzial für so ein Festival. "Es ist wichtig, so was in der Stadt zu positionieren." Es ist nicht der erste Vorstoß.

Bereits 2014 wurde der Arge Alp-Verbund beim bayerischen Wirtschaftsministerium vorstellig, allerdings mit einem anderen Ansatz. "Der Alpenregion fehlt ein Musik-Kommunikations-Event, das in der Außendarstellung Bayern als innovatives und kulturell modernes Land positioniert", hieß es damals in dem Schreiben. Umgesetzt wurde die Idee nicht, aufblasbare Brezn gibt es stattdessen in Hamburg.

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SZ vom 31.05.2016
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