Süddeutsche Zeitung

Münchner U-Bahn:Polizei vernimmt Angreifer und angeblich belästigte Frau aus U-Bahn-Video

Lesezeit: 2 min

Von Martin Bernstein

Je mehr Details die Polizei über den Vorfall vom Samstag in der U-Bahn herausfindet, der im Internet derzeit Furore macht, umso klarer wird das Bild. Umso deutlicher wird aber auch: Die drei jungen Männer, die auf einer Fahrt quer durch die Stadt durch Pöbeleien, Randale und Handgreiflichkeiten aufs Unangenehmste aufgefallen sind, hätten im Normalfall weder Eingang in den Pressebericht der Polizei noch ein weltweites Medienecho gefunden.

Das Paradoxe im Münchner Fall: Während den Medien und der immer öfter so titulierten "Lügenpolizei" in sozialen Netzwerken vorgeworfen wird, sie würden von Migranten verübte Straftaten unterschlagen, wird hier ein Fall aus dem Polizeialltag (Beleidigung, Nötigung, Hausfriedensbruch) nur aus einem Grund zu einem virtuellen Ereignis - eben weil die Beschuldigten Flüchtlinge sind. "Wir sind in dem Fall etwas getrieben", räumt Polizeisprecher Thomas Baumann ein - durch das Video, das der Student Tom R. nach den Geschehnissen via Facebook veröffentlichte und das seither über vier Millionen Mal aufgerufen wurde.

Das Video zeigt, wie ein junger Mann zwei Fahrgäste der U 1 attackiert. Inzwischen weiß die Polizei, wer die jungen Männer auf dem 31 Sekunden langen Video sind: zwei 19 und 20 Jahre alte abgelehnte Asylbewerber und ein 25 Jahre alter Flüchtling, alle drei aus Afghanistan. Was vor und nach der halben Minute passierte, ist für die Ermittler vom Kommissariat 24 noch nicht völlig geklärt. Am Mittwoch wurde eine junge Frau als Zeugin vernommen, die von den jungen Männern belästigt worden sein soll. Ebenfalls eine Zeugenaussage gemacht hat Tom R., der sich - anders als von der Polizei zunächst mitgeteilt - bereits am Sonntag telefonisch mit der Polizei in Verbindung gesetzt hatte. Gemeldet hat sich auch ein nicht in das Geschehen involvierter Zeuge. Weitere Fahrgäste, die etwas gesehen haben, sollen sich unter der Nummer 089/ 29 10-0 melden. Vernommen werden auch die jungen Männer, die in drei Unterkünften in München und im Umland wohnen.

Dann kann die Kriminalpolizei erst sagen, welche Straftaten tatsächlich verübt wurden und die Staatsanwaltschaft einschalten. Nach momentanem Stand der Ermittlungen gebe es aber wohl nichts, was eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen werde. Die Gruppe war am Samstag erstmals gegen 18.10 Uhr in der U 1 zwischen Candidplatz und Hauptbahnhof aufgefallen. Ein Mann aus der Gruppe soll einer 72-jährigen gehbehinderten Frau vor die Füße gespuckt und, als die Frau und ihr Mann sich umsetzen wollten, die Rentnerin betatscht und versucht haben, ihr ein Bein zu stellen. Das Ehepaar erstattete Anzeige.

Kurz darauf kam es zu der Rangelei, die in Tom R.s Video zu sehen ist. Am Hauptbahnhof stieg die Gruppe in die U 5 um und randalierte weiter. Dort riefen Fahrgäste die U-Bahnwache. Diese setzte die Randalierer schließlich im U-Bahnhof Lehel mit Zwang vor die Tür. Dort warteten bereits drei Streifenwagenbesatzungen der Inspektion 11 und nahmen die Personalien der Rowdies auf. Weil die Beamten von den Vorfällen in der U 1 nichts wussten (keiner der Fahrgäste, die couragiert gegen die Randalierer eingeschritten waren, hatte die Polizei gerufen), konnten die Tatverdächtigen danach gehen.

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SZ vom 04.02.2016
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