Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Soja in der Kita, Hendl zu Hause

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Was haben Eltern nicht schon alles getan für einen Betreuungsplatz in dieser Stadt. Jetzt dürfen sie auch so tun, als wäre ihnen veganes Essen für die Kinder wichtig

Kolumne von Florian Fuchs

Einen Kita-Platz in München zu bekommen, ist in etwa so schwierig, wie einen S-Bahn-Sitzplatz auf der Stammstrecke zu ergattern. Nicht vollkommen unmöglich, aber doch irgendwie aussichtslos. Was haben Eltern nicht schon alles getan und gesagt bei der Vorstellung in der Kindertagesstätte, die Moral bleibt hier zwangsläufig auf der Strecke: Arbeitsstunden im Durchschnitt, als wichtige Größe beim Kita-Finder anzugeben? Minimum 80 die Woche. Konfession? Katholisch natürlich, schon immer, regelmäßige Kirchengänger, gerade zu Weihnachten, ehrlich! Natürlich hilft man auch mit bei der Elterninitiative, wer kocht nicht gerne für die Kleinen, die Finanzen der Einrichtung managt der Papa, der kann so was, und die Klos putzt er auch einmal die Woche, das kennt er ja von zu Hause.

Nun dürfen Münchner Eltern auch so tun, als wäre ihnen veganes Essen für ihre Söhne und Töchter wichtig. In Sendling will eine Elterninitiative den ersten Kindergarten gründen, in dem tierische Produkte keine Chance haben. Also auf in den Kampf: Huch, sagt die Mama bei der Vorstellung im Zimmer der Kita-Leitung, jetzt ist mir die Handtasche runtergefallen! Wollen Sie auch einen Schluck von meinem veganen Sprudelwasser, das da gerade aus der Tasche gerollt ist? Ich hab heute morgen ein neues Shampoo ausprobiert, kennen Sie das - 100 Prozent bio, und garantiert ohne Tier? Wenn das mit dem Weihnachtsbesuch in der Kirche bei der katholischen Kita zieht, muss so etwas doch hier auch funktionieren.

Bleibt die Frage, was passiert, wenn der Sohnemann in der Kita beim Mittagessen vor seinem Sojaschnitzel sitzt und vom Grillgelage zu Hause am Wochenende erzählt: Ein Spanferkel und drei Hendl mussten dran glauben, dazu beachtliche Teile vom Rind. Alles halb so wild, werden die einbestellten Eltern dann beschwichtigen: Der Junge hatte schon immer eine blühende Fantasie. Toiletten putzen in der anderen Kita wäre vielleicht doch das kleinere Übel gewesen.

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Quelle:
SZ vom 30.05.2018
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