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Neue Brauerei in München:Im Schnellverfahren zum Bier

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Die neue Münchner Kindl Brauerei soll schon ab dem Jahr 2023 an der Tegernseer Landstraße produzieren. Die Zeit ist knapp, deswegen drückt die Politik nun ungewöhnlich aufs Tempo.

Von Heiner Effern, München

Die Zeiten stehen gerade für pragmatische, rasche Lösungen in der Politik. Das gilt vor allem für Entscheidungen zum Bewältigen der Corona-Krise, doch der Stadtrat hat sich dazu auch beim Bau der neuen Münchner Kindl Brauerei durchgerungen. Die nötige Änderung des Flächennutzungsplans für das Areal an der Tegernseer Landstraße wird bis Jahresende im Schnellverfahren erledigt. Das entspricht zwar nicht den Vorstellungen des Planungsreferats, doch die Behörde musste sich pragmatischen Gründen und dem Dauereinsatz der Traunsteiner Brauerei-Familie Sailer geschlagen geben.

Diese will auf dem Areal der früheren Tankstelle in der sogenannten Amerikanersiedlung die Münchner Kindl Brauerei auferstehen lassen. Von 1880 bis 1905 produzierte die Marke Bier und erfreute sich großer Beliebtheit. Dietrich Sailer hat die Namensrechte erworben und auch das versiegelte Gelände, auf dem derzeit Lastwagen herumstehen. Historisch bedingt ist die Fläche jedoch als "ökologische Vorrangfläche" ausgewiesen. Dies ist so widersinnig, dass sich sogar Umweltverbände für den Bau der Brauerei aussprechen, weil das schäbige Gelände dadurch aufgewertet würde. Etwa 1000 Quadratmeter sollen entsiegelt werden. Die Grünen haben ihre ablehnende Haltung revidiert und für das schnelle Verfahren gestimmt. Einzig die Linke hat sich dagegen ausgesprochen.

Das Zugeständnis des Stadtrats darf als Indiz gewertet werden, dass auch die Baugenehmigung schnell erfolgen könnte. Insofern ist der Beschluss vom vergangenen Mittwoch schon von grundsätzlicher Art, wenn auch nicht aus juristischer Sicht. Bis zur Eröffnung der Brauerei fällt aber noch viel Arbeit an. Zuerst müssten alle Reste der Tankstelle beseitigt und kontaminierter Boden entsorgt werden, sagte Sailer, dessen Familie das Traunsteiner Hofbräuhaus gehört. Danach könnte der Neubau entstehen, der in Reminiszenz an die Blütezeit der Marke als Backstein-Gebäude ausgeführt werden soll.

Das sei aber nicht die einzige Hommage an die Geschichte. Sailer, der die Münchner Brauerei an seine beiden Söhne übergeben will, plant nicht nur ein Wirtshaus mit 199 Sitzplätzen, er will das Bier mit selbst produziertem Stangeneis kühlen und einmal die Woche mit einem Pferdefuhrwerk ausliefern. Im Jahr 2023 soll erstmals Bier fließen und "im Jahr 2024 die erste Erfolgsbilanz vorliegen", sagte der Traunsteiner Brauereibesitzer nach der Sitzung.

Damit spielte er auf eine Bemerkung von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Stadtrat an. Dieser hatte sich für das schnelle Verfahren stark gemacht, weil es für den Standort zweifellos eine Verbesserung bringe. Ob Sailer auch geschäftlich mit dem Areal an der Tegernseer Landstraße einen guten Griff mache, das müsse sich dann zeigen, hatte Reiter gezweifelt. Er selbst hoffe, dass der Beschluss auch für ihn einen positiven Nebeneffekt habe, nämlich "dass ich bald das letzte Gespräch mit dem Brauereibesitzer führen darf".

Sailer hatte nicht nur den Oberbürgermeister intensiv zu überzeugen versucht, er hatte auch mit dem Kabarettisten Ottfried Fischer einen öffentlichen Werbetermin veranstaltet. Sogar die bayerische Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) hat für ihn einen Brief geschrieben. Das komme einem Paradigmenwechsel in der Baupolitik gleich, merkte Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk spitz an. Auch das wird sich aber erst in der Folge zeigen müssen.

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SZ vom 14.04.2020
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