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Münchner Freiheit:Wenn die Zahnärztin Grün sieht

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Die Farbe des Haltestellen-Dachs an der Münchner Freiheit lässt eine Zahnärztin verzweifeln. Weil das Neongrün ihre Arbeit massiv erschwert, zog sie vor Gericht - und scheiterte. Nun hofft sie, dass wenigstens der Dreck auf dem Dach bleibt.

Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Die starke Farbreflexion des neongrünen Trambahn-Haltestellendachs an der Münchner Freiheit ließ eine Zahnärztin verzweifeln, deren Praxis in direkter Nachbarschaft ist. Deswegen drängte sie die Hauseigentümer, gerichtlich gegen den Grünschimmer vorzugehen, der lange Zeit in ihrer Praxis alles überzog. Beim Oberlandesgericht wurde dann zwar bestätigt, dass vor acht Jahren beim Planfeststellungsverfahren für das grüne Riesendach offenbar schlampig gearbeitet wurde.

Dennoch dürfte das Urteil des 15. Senats die Zahnärztin nun auch nicht glücklich machen: Mit dem Gang vor das Zivilgericht sei der falsche juristische Weg gewählt worden, sagen die OLG-Richter. Sie haben die Unterlassungsklage deshalb jetzt abgewiesen. Der Zahnärztin bleibt bloß die Hoffnung, dass die Stadtwerke München ein Versprechen, das sie in dem Verfahren gaben, trotz des gewonnenen Prozesses einhalten werden.

"Ein ungestörtes Arbeiten ist kaum möglich"

"Aquarium-Licht" nannte die Zahnmedizinerin die geschäftsschädigende Beleuchtung ihrer Praxisräume: "Ein ungestörtes Arbeiten ist kaum möglich." Jede Farbwahrnehmung sei verändert und eine Abstimmung von Weißtönen bei Zahnersatz würde auf diese Weise verfälscht. Außerdem mache das alles überziehende Neongrün auf Dauer aggressiv. Zwar haben Ruß und Schmutz das Grün inzwischen abgedunkelt und erträglich gemacht. Dennoch wird befürchtet, dass die Stadtwerke die Farbe eines Tages wieder auffrischen könnten.

Das Oberlandesgericht hat nun festgestellt, dass die Regierung von Oberbayern im Planfeststellungsverfahren mögliche störende Emissionen, die von dem künftigen Bauwerk ausgehen können, umfassend hätte prüfen müssen: "Ein Vorhaben, das zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung von Nachbargrundstücken durch Lichtreflexe führt, durfte nicht genehmigt werden", heißt es in dem Urteil. Da die Planfeststellung von 2006 aber längst bestandskräftig sei, könne zivilrechtlich dagegen nicht mehr vorgegangen werden. Schutz sei daher bei der Planfeststellungsbehörde zu beantragen und notfalls im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen.

So bleibt der Zahnärztin vor allem die Hoffnung, dass die Stadtwerke ihre im Prozess gegebene Zusicherung einhalten, den einst so schrillen Grünton nicht durch einen Neuanstrich wiederherzustellen. Die dunkle "Grundpatina", die sich inzwischen gebildet hat, dürfte ohnehin kaum mehr wegzuschrubben sein.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2014
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