Süddeutsche Zeitung

Ermittlungserfolg:Münchner Fahndern und türkischer Polizei gelingt Schlag gegen Trickbetrüger

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Von Thomas Schmidt, München

Mit keiner anderen Masche machen Betrüger so viel Geld in München: Kriminelle, die sich am Telefon als Polizisten ausgeben, haben im vergangenen Jahr mindestens 4,3 Millionen Euro erbeutet. Nun ist der Polizei ein Schlag gegen Hintermänner des organisierten Verbrechens gelungen, die vor allem von der Türkei aus operieren und lange dachten, sie seien außerhalb der Reichweite der deutschen Behörden.

Mit Unterstützung durch erfahrene Münchner Ermittler hat die türkische Polizei am Mittwoch Razzien in Callcentern in Antalya durchgeführt. Acht Personen sollen laut Spiegel festgenommen worden sein, darunter zwei mutmaßliche Rädelsführer der Bande. Zwei Fahnder aus München halfen den Einsatzkräften.

Die Zahl der Betrugsfälle durch falsche Polizisten ist in München im vergangenen Jahr geradezu explodiert und stieg um mehr als 1000 Prozent. Zeitweise gingen bis zu 100 Anzeigen pro Tag bei der echten Polizei ein. Die Anrufer aus der Türkei sprechen meist fehlerfrei deutsch, haben es auf Senioren abgesehen und flößen ihnen mit Lügengeschichten so lange Angst ein, bis diese irgendwann völlig verunsichert einem Abholer Bargeld aushändigen oder hohe Summen ins Ausland überweisen.

Die Betrüger aus Antalya sollen sich laut Spiegel am Telefon häufig als Holger Münch ausgegeben haben, das ist der Präsident des Bundeskriminalamts. Den Senioren wird beispielsweise vorgegaukelt, sie hätten sich bei einer Türkeireise falsch verhalten und ihnen drohe dort eine empfindliche Strafe, wenn sie nicht einem - falschen - Polizisten Geld geben, um die Angelegenheit zu regeln.

So erfolgreich die Kriminellen damit sind, so schwierig sind die Ermittlungen für die Münchner Fahnder. Denn offizielle Gesuche auf Rechtshilfe werden in der Türkei schlicht ignoriert, bestätigte unter anderem die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Deswegen bemühen sich Münchner Ermittler seit Monaten um persönliche Kontakte zu Kollegen in der Türkei, um nicht auf langwierige Rechtsverfahren angewiesen zu sein.

In einer offiziellen Mitteilung betonte das Münchner Polizeipräsidium am Freitag dann auch, die Razzien in Antalya seien das Ergebnis "eigenständiger Ermittlungen der türkischen Polizei und Justiz". Natürlich rede man miteinander und tausche Informationen aus, sagte ein Sprecher des Präsidiums und lobte die "gute fallbezogene Zusammenarbeit".

Es dürfte nicht die letzte Razzia dieser Art gewesen sein. Nach offiziell unbestätigten SZ-Informationen hat die türkische Polizei gerade erst begonnen, Durchsuchungen in anderen Städten der Türkei sollen folgen. Das Geschäft der Betrüger floriert, sie erbeuten etliche Millionen mit immer den gleichen Lügengeschichten.

Noch sei unklar, wie bedeutend der aktuelle Fahndungserfolg für die Anrufe nach München ist, heißt es aus dem Präsidium. "Die rufen nicht nur Deutsche an", sagt ein Polizeisprecher. "Die rufen mit derselben Masche auch Rentner in der Türkei an." Bevor man die sichergestellten Beweise nicht ausgewertet habe, könne man auch nichts Näheres zur Herkunft der Opfer sagen. Allerdings wisse man schon jetzt, dass in den durchsuchten Callcentern "Hunderte Betrugsdelikte in ganz Deutschland vorbereitet worden" seien.

Die mühsame Arbeit der Polizei kann sich auszahlen. Bevor die Fallzahlen der falschen Polizisten in die Höhe schnellten, richtete in München der Enkeltrickbetrug enorme Schäden an. Er wurde meist von Polen aus gesteuert. Doch seit einer grenzübergreifenden Polizeiaktion 2016 kommt der Enkeltrick in München praktisch nicht mehr vor.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2018
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