Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:Heute Auto, morgen Lastenrad

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Wem gehört der öffentliche Raum? Der Ton im Stadtrat wird rauer. Sicher ist: Alle Verkehrsarten müssen berücksichtigt werden.

Kommentar von Andreas Schubert

Gute Lage, attraktive Jobs: München ist bekanntlich eine Stadt, die immer neue Menschen anzieht. Doch weil sich all diese Menschen nicht damit begnügen wollen, in ihren Wohnungen herumzusitzen, sondern sich auch außerhalb davon bewegen und aufhalten wollen, hat die Stadt ein Problem. Es geht mal wieder um die Autos. Immer mehr davon auf den Straßen fressen immer mehr Platz, sowohl die fahrenden als auch die geparkten. Der Konkurrenzdruck im öffentlichen Raum nimmt zu.

Überzeugte Autofahrer lassen kein gutes Haar an der zunehmenden Zahl der Radfahrer, die mehr Platz für sich beanspruchen. Umgekehrt wäre es eingefleischten Radlern am liebsten, es gäbe überhaupt keine Autos mehr in der Stadt; zumindest aber sollte das Autofahren und Parken so teuer sein, dass es komplett unattraktiv wird, ist oft zu hören.

Der Ton in der Debatte, wem der öffentliche Raum denn eigentlich gehört, wird rauer. Das spiegelt sich auch im Stadtrat wider, in dem seit längerer Zeit über das Thema immer wieder gezankt wird. Mit ihrer neuen, auf die Zukunft ausgerichteten Mobilitätsstrategie hat die Verwaltung die Chance, die Wogen einigermaßen zu glätten. Das Mobilitätsreferat hat nun den Startschuss gegeben, den Straßenraum gerecht und umweltfreundlich aufzuteilen und die Mobilität neu zu organisieren.

Und hier müssen alle Verkehrsarten berücksichtigt werden. Dass Radfahrern und Fußgängern mehr Platz zusteht, daran dürfte niemand ernsthaft zweifeln, der sich nicht ausschließlich am Steuer eines Fahrzeugs aufhält. Umgekehrt muss auch das Autofahren in der Stadt weiterhin möglich sein, nicht jeder Transport lässt sich mit dem Lastenrad erledigen. Der Ansatz des Mobilitätsreferats zielt nun darauf ab, dass es für die Münchner selbstverständlich wird, verschiedene Arten von Mobilität zu nutzen, je nachdem wozu ein Weg zurückgelegt wird und wie weit dieser ist.

Das klingt gut. Schwierig dürfte es aber sein, ausreichend viele Menschen davon zu überzeugen. Für viele Pendler ist der tägliche Stau kalkulierbarer als zum Beispiel die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit von Bussen und S-Bahnen. Die wenigsten steigen stattdessen bei Wind und Wetter aufs Rad. Auch die oft beschworenen Sharing-Angebote sind bei weitem noch nicht ausreichend und auf zu enge Gebiete begrenzt. Für neue Lösungen braucht es - neben Geld natürlich - nun Kreativität statt Lagerdenken. Denn das eigene Auto kann erst dann wirklich überflüssig werden, wenn die alternativen Angebote stimmen.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2021
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