Süddeutsche Zeitung

Elektromobilität:Das Brummen aus dem Labor

Lesezeit: 3 min

Von Andreas Schubert

Für Musikliebhaber wäre das sicher eine hübsche Vorstellung: Sie setzen sich ins Auto, starten den Motor - und statt des typischen Brummens einer Antriebsmaschine ist Mozarts "Eine kleine Nachtmusik" zu hören. Und wenn ihnen die Wiener Klassik irgendwann zu lätschert erscheint, schalten sie einfach um auf Heavy Metal. Möglich wäre das alles, aber ein Auto, so schreibt es die Europäische Union vor, soll dann doch noch wie ein Auto klingen, selbst dann, wenn der Sound künstlich erzeugt werden muss.

Seit 2019 müssen Elektroautos hörbar sein. Denn bei geringen Geschwindigkeiten sind das Abrollgeräusch der Reifen und das Windgeräusch viel zu leise, um wahrgenommen zu werden. Die Hersteller feilen deshalb an künstlichen Motorgeräuschen, die die Marke erkennbar machen, für Sportlichkeit oder Luxus stehen und auf den potenziellen Käufer sympathisch wirken sollen. Der Sound eines Audi E-tron etwa klingt wie ein startendes Raumschiff in einem Star-Wars-Film, er suggeriert die Kraft eines starken Verbrennungsmotors und ist gleichzeitig als E-Antrieb erkennbar. Ähnlich ist es beim Porsche Taycan, dessen Elektromotor sich ganz nach Sportwagen anhört. Aber es sind nicht wirklich die Motoren, die die Geräusche erzeugen. Sie werden per Software hergestellt und per Lautsprecher in die Umwelt gelenkt.

An der Hochschule München (HM) haben sie einen anderen Ansatz entwickelt. Hier soll der Elektromotor selbst den Ton erzeugen. Daran feilt ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Akustikern und Regelungstechnikern. Es hat nun eine Methode und ein Produkt entwickelt, um Elektromotoren quasi zum "Singen" zu bringen. E-Motoren werden damit unter anderem selbst zu Lautsprechern und können sich im Verkehr zukünftig bemerkbar machen.

Im Labor für Akustik und Dynamik der Hochschule München entwickeln drei Wissenschaftler unter Leitung von Stefan Sentpali, Professor für Akustik, und Simon Hecker, Professor für Regelungstechnik, eine neue Methode zur Klanggestaltung von E-Fahrzeugen. Denn verglichen mit Verbrennungsmotoren, surren Elektrofahrzeuge ungewohnt leise. Andere Verkehrsteilnehmer sollen die Fahrzeuge aber nicht überhören. Dafür hatten sich vor allem auch Blinden- und Sehbehindertenverbände eingesetzt. Fabian Ebner und Leonhard Angerpointner sind Entwicklungsingenieure und Absolventen der HM, Dominik Schubert, promoviert derzeit in Regelungstechnik. Gemeinsam arbeitet das Team an unterschiedlichen Methoden und Produkten, um E-Autos zum Klingen zu bringen. Bei der Methode der "Active Sound Generation" sucht das Forschungsteam nach Möglichkeiten, den Antrieb von Elektromotoren zugleich zur Geräuscherzeugung zu nutzen.

Die Stromversorgung des Motors wird dabei so moduliert, dass dieser zusätzlich zu seiner normalen Drehung winzige Bewegungen in Drehrichtung und radialer Richtung ausführt. Die leichte Hin-und-Her-Bewegung, die die Forscher damit erzeugen, ist für das Auge unsichtbar. Das Motorgehäuse lässt sich dadurch aber so in Vibrationen versetzen, dass Schallwellen entstehen und der E-Motor zu klingen beginnt. Zur Klangerzeugung braucht es eine Echtzeithardware zum Ansteuern des E-Motors, die mit einer beliebigen Audioquelle - etwa einem MP3-Player - verbunden wird und dann deren Audiosignale in Steuersignale umsetzt, die wiederum den E-Motor zum Schwingen bringen. Das soll im Vergleich zu Lautsprechersounds einen authentischeren Höreindruck vermitteln.

Wann die neue Technik zum Einsatz kommen wird, ist noch unklar

Alternativ zur zwischengeschalteten Hardware können mit einem im selben Labor entwickelten Produkt, dem sogenannten MXsounddesigner, Klänge auch mathematisch entwickelt und live eingespielt werden. "Der Sounddesigner ist so konzipiert, dass der Klang vom Betriebszustand des Motors abhängt und durch Ändern typischer Motorparameter wie Drehzahl oder Lastverhältnis entsteht", sagt Sentpali. Man müsse kein Akustiker oder Komponist sein, um das gewünschte Geräusch entstehen zu lassen. Außerdem nennt der Forscher einen anderen Vorteil: Das System könne ohne wesentliche Zusatzkosten, Bauraum und Mehrgewicht in vorhandene E-Motoren integriert werden.

Der Sound eines Autos hat von jeher eine Rolle bei den Käufern gespielt, ebenso wie das Geräusch beim Zuschlagen der Fahrertür oder beim Blinken soll er für Qualität stehen. Hohe Töne werden die E-Autos der Zukunft wohl nicht bekommen, die gelten weithin als unsympathisch. Welcher Sound letztlich aus E-Fahrzeugen ertönt, können die Autohersteller selbst frei entscheiden. Das Forscherteam aber könne erst einmal mit allen möglichen Klängen experimentieren. "Wir müssen ja keine Autos verkaufen", sagt Sentpali. Man biete lediglich das Werkzeug zur Sounderzeugung.

Wann die neue Sound-Technik in Autos zum Einsatz kommen wird, kann Sentpali noch nicht sagen. Seiner Einschätzung nach ist die nächste Generation von E-Autos in etwa sieben Jahren zu erwarten.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2019
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