Süddeutsche Zeitung

Prozess:"Bruchbude" für 650 000 Euro

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Ende Juli soll im Prozess um das Uhrmacherhäusl das Urteil fallen, doch das scheint nun fraglich. Die Verteidiger beantragen die Vernehmung weiterer Zeugen. Der ursprüngliche Eigentümer des Hauses zeigt sich davon überzeugt, dass das Anwesen nicht sanierungsfähig gewesen wäre.

Zweieinhalb Monate dauert inzwischen die Beweisaufnahme im Prozess um den angeblich von langer Hand geplanten Abriss des unter Denkmalschutz stehenden Uhrmacherhäusls vor dem Amtsgericht München. Eigentlich sollte das Verfahren in den nächsten Tagen auf die Zielgerade gehen. Doch an diesem Montag haben die Verteidiger von Andreas S., dem Eigentümer der Immobilie, die Einvernahme einer Reihe weiterer Zeugen beantragt, die ihren Mandanten entlasten sollen. Ob es dabei bleibt, dass das Gericht, wie ursprünglich vorgesehen, am 29. Juli ein Urteil verkündet, erscheint somit fraglich.

Die Verteidiger von Andreas S., Maximilian Müller und Florian Opper, betonten am Montag erneut, dass für sie nur ein Freispruch ihres Mandanten akzeptabel sei. Die Staatsanwaltschaft indes geht davon aus, dass der 44-Jährige die letzten drei Mieter des Uhrmacherhäusls kalt entmietet und den mitangeklagten Bauunternehmer Cüneyt C. schließlich beauftragt hat, das Anwesen in der Oberen Grasstraße 1 in Obergiesing mit einem Bagger dem Erdboden gleich zu machen. Der Vorwurf lautet deshalb Nötigung in Tatmehrheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung.

Letzteres scheint zumindest der ursprünglich Eigentümer des Uhrmacherhäusls in Zweifel zu ziehen. Der Vertriebsingenieur hatte das Anwesen von seinem verstorbenen Onkel geerbt. Schnell, so berichtete der 52-Jährige bei seiner Vernehmung, habe er nur ein Ziel gehabt: nämlich die "Bruchbude" loszuwerden. Dass es sich nach Ansicht von Experten um ein Baudenkmal von geschichtlicher Bedeutung gehandelt habe - diesen Eindruck ließ der Vertriebsingenieur erst gar nicht aufkommen. Das Uhrmacherhäusl, habe nicht mehr saniert werden können. Es sei feucht und "sehr, sehr marode" gewesen. "Verfaulte Teppiche, Schimmel und an allen Ecken hat es gestunken."

Bekannte "aus dem Baubereich" hätten ihn davon überzeugt, so der Zeuge, dass es sich nicht lohne, das Gebäude zu sanieren. "Vergiss es", habe deren Fazit gelautet. So sehr sich der Vertriebsingenieur an die angeblich nicht sanierungsfähige Bausubstanz erinnern konnte, so wenig wusste er von dem genauen Preis, für den er das Uhrmacherhäusl an Andreas S. verkauft hatte. 460 000 Euro seien es gewesen, sagte er. Tatsächlich waren es 650 000 Euro. Mit welchen Vermögenswerten er denn "jongliere", dass er so etwas vergessen könne, fragte der Vorsitzende Richter den Vertriebsingenieur. Der erwiderte: "Ich bin momentan in Sachen Finanzen nicht auf dem Laufenden."

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