Süddeutsche Zeitung

Münchner Radwege:Über Stock und Stein

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Das Baureferat erfasst den Sanierungsbedarf des kompletten, etwa 900 Kilometer langen Radwegenetzes im Stadtgebiet. Schwerpunkte sind die Asphaltierung unbefestigter Pisten sowie "die Optimierung in Grünanlagen"

Von Marco Völklein, München

Martin Hänsel ärgert sich regelmäßig über den Zustand mancher Radwege. Der Vize-Geschäftsführer des Bundes Naturschutz (BN) in München ist fast täglich mit dem Fahrrad in ganz unterschiedlichen Stadtvierteln unterwegs und klagt: "Ständig werden die Asphaltdecken aufgerissen und wieder zugeflickt." Da in vielen Straßen die Leitungen für Gas, Wasser, Strom oder Telefon unter dem Radweg verlaufen, würden die Asphaltflächen immer wieder geöffnet und dann nur notdürftig wieder geschlossen: "Übrig bleibt dann eine wahre Holperpiste."

Das Problem kennt nicht nur der Vize-Chef des Münchner BN. Auch beim Radfahrer-Club ADFC gehen immer wieder Klagen über den schlechten Zustand mancher Pisten ein. Zudem befassen sich regelmäßig Stadtviertelpolitiker in den Bezirksausschüssen mit dem Thema. Und selbst Baureferentin Rosemarie Hingerl räumte im vergangenen Juli in einer Sitzungsvorlage für den Bauausschuss des Stadtrates ein: "Mittlerweile weisen der Zustand sowie die Substanz des über Jahrzehnte gewachsenen Radverkehrsnetzes erhebliche Dezfizite auf." Doch das soll sich in naher Zukunft ändern, Hingerls Leute tüfteln an einer Art Sanierungsplan für die Radwege.

Ob mitten im Gedränge der Innenstadt...

...entlang der Isar...

...oder in Form von riskanter Schlängelei:

Die Münchner Radwege sorgen immer wieder für Klagen.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Referat zunächst einmal den Zustand des Radwegenetzes erfasst. Damit waren die Ingenieure des Baureferates im vergangenen Jahr beschäftigt. Mitarbeiter eines Ingenieurbüros fuhren das etwa 900 Kilometer lange Streckennetz Meter für Meter ab und teilten es in fast 6000 Einzelabschnitte auf - jeder Abschnitt etwa 150 Meter lang. "Für jeden einzelnen Abschnitt wurden Kriterien wie Risse, Oberflächenschäden und Unebenheiten erfasst", erläutert das Baureferat - und dann auf einer Skala von eins (sehr gut) bis fünf (sehr schlecht) eingeteilt. Aus dieser Einteilung können die Fachleute des Baureferates nun "Rückschlüsse auf die Art der Sanierung und den Finanzbedarf ableiten".

Das Ganze erinnert an das 2330 Kilometer lange städtische Autostraßennetz. Auch das wird vom Baureferat bereits seit den Neunzigerjahren systematisch erfasst und kategorisiert - ebenfalls quasi Meter für Meter und ebenfalls in den Kategorien eins bis fünf. Mitarbeiter fahren zudem in regelmäßigen Abständen die Strecken immer wieder ab und pflegen die Daten nach. Verändert sich der Zustand einer Straße - etwa, weil sich nach einem harten Winter viele Schlaglöcher aufgetan haben - wird der Zustandsbericht aktualisiert. Aufgrund der Daten entscheiden die Ingenieure des Baureferates dann, ob es reicht, die Löcher vorerst nur zu flicken oder ob eine umfassende Sanierung ansteht.

So weit sind die Planer bei den Radwegen allerdings noch nicht. Die im vergangenen Jahr erhobenen Daten würden nun zunächst einmal ausgewertet, erläutert Dagmar Rümenapf vom Baureferat. Daraus werde anschließend ein Sanierungskonzept erarbeitet. Dabei beachteten die Ingenieure auch weitere Aspekte: beispielsweise ob Neubauprojekte von Straßenanliegern anstehen, ob die Gas- oder Wasserversorger ihre Leitungen im Untergrund erneuern müssen. Oder ob eine größere Umbaumaßnahme einer Kreuzung ansteht, in die die Sanierung eines Radwegs idealerweise eingebunden werden kann. "Die betroffenen Bezirksausschüsse", sagt Rümenapf, "werden über die Maßnahmen dann informiert." Laut Hingerls Stadtratsvorlage aus dem vergangenen Juli sind als Schwerpunkte in dem Sanierungsprogramm unter anderem "die Umwandlung von unbefestigten Radwegen in asphaltierte Wege" sowie "die Optimierung von Wegebreiten in Grünanlagen" vorgesehen. Welche Strecken oder Abschnitte im Radnetz konkret angegangen werden, lässt sich aber derzeit nicht sagen.

Klar ist nur, dass genügend Geld dafür vorhanden ist. Ende 2014 hatte der Stadtrat die "Nahmobilitätspauschale" von bislang vier Millionen Euro auf künftig zehn Millionen Euro pro Jahr angehoben. Das Geld soll zum Ausbau und zur Förderung der Nahmobilität dienen, also vor allem den Fußgängern und Radfahrern. Mit der Erhöhung der Summe wollten CSU und SPD den ständigen Vorwurf vor allem der Grünen und von Umweltverbänden entkräften, sie würden der Förderung des Radverkehrs zu wenig Aufmerksamkeit schenken. "Ich will dieses Geld auf die Straße bringen", betont der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) immer wieder. 2015 wurden laut Hingerl etwa drei Millionen Euro in die Sanierung von Radwegen entlangt von Straßen gesteckt, weitere zwei Millionen flossen in Radstrecken in Grünanlagen. Den Rest habe man in Neu- und Umbauvorhaben gesteckt - beispielsweise in neue Radstreifen im südlichen Teil der Schleißheimer Straße in der Maxvorstadt. Im vergangenen Jahr war allerdings im Rathaus ein Streit darüber entbrannt, ob die Bezirksausschüsse weiterhin über solche Aus- und Umbaumaßnahmen von Radwegen in ihren Quartieren entscheiden dürfen oder ob dies nicht besser Sache des Stadtrats sei. Eine Entscheidung wurde in der Frage noch nicht getroffen.

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SZ vom 12.02.2016
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