Süddeutsche Zeitung

Tiere in der Stadt:So eine Sau, die Taube

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In München gefällt es den Vögeln in der Regel sehr gut, nur zu benehmen wissen sie sich nicht. Selber schuld: Jetzt hat der Stadtrat ihnen "den Kampf angesagt".

Kolumne von Rudolf Neumaier

Die Taube mal wieder. Sobald die Münchner keine anderen Sorgen haben, sobald die S-Bahn mal drei Tage hintereinander frei von Totalausfällen dahintuckert und der Champions-Leagist von der Säbener Straße mal wieder einen Trainer verschlissen hat, wenden sie sich einer anderen Sau zu, die sie durchs Dorf treiben. Und als Sau drängt sich natürlich die Taube auf, immer wieder, wobei ihre Widersacher sie nicht nur als Schwein betrachten, sondern auch noch als Ratte der Lüfte. Aus dem Stadtrat kam nun die Kunde, dass München den Tauben in der Stadt "den Kampf angesagt" hat. Die Kriegserklärung hallte überregional wider, sogar die Landeszeitung für die Lüneburger Heide berichtete.

Martialisch, wie solche Verlautbarungen klingen, lässt sie befürchten, dass sich der gesamte Stadtrat auf die Lauer legt, um den Vögeln mit Schrotdoppelflinten heimzuleuchten. Und wäre das Stadtgebiet kein befriedeter Bezirk, in dem Schießen verboten ist, käme vielleicht wirklich noch wer auf die Idee draufloszuballern. Taubengegner gibt's genügend.

Die Taube benimmt sich ja wirklich wie eine Sau, das muss man leider so sagen. Wenn's ihr gefällt, vermehrt sie sich mit einer Frequenz, bei der jedem Karnickel vor Neid die Ohrwascheln erstarren. In München gefällt es den Tauben in der Regel sehr gut. Ihr miserabler Leumund fußt aber vor allem an ihrem Defäkationsverhalten. Zu selten achten Vögel darauf, wo sich ihre Kloake (so heißt das Ausscheidungsorgan) leert. Gäbe es an der LMU endlich eine Fakultät für Vogelverhaltensforschung, würden Vogelsprachwissenschaftler dort herausfinden: Münchens Tauben waren mit ihrer Nonchalance bei der Toilettenwahl wesentlich an der Entstehung der derben Gleichgültigkeitsbekundung "Mir doch scheißegal" beteiligt.

Sie machen Dreck, wo sie wollen. Gut gemeinte Appelle, sich nicht überall zu erleichtern, sondern nur vor der Staatskanzlei oder am Fröttmaninger Stadion zum Beispiel, überhören sie in maßloser Arroganz. Wenn man ihnen auf seinem knöcheltief mit Taubenkot bedeckten Balkon ins Taubengewissen redet und als ultimative Drohung Fotos von Gerichten wie "Geschmorte Tauben in Biersoße" oder "Gefüllte Tauben mit Ingwersauerkraut und Parmesantalern" vor den Schnabel hält, gurren sie auch noch frech. Und fliegen zu den Nachbarn, deren Tochter Tauben mit allerlei Spezereien füttert, weil sie zu viel Aschenputtel gelesen hat.

Der Stadtrat hat die Faxen dicke. Er hat die Trickser-Schwadronen vom Gesundheitsreferat auf die Vögel angesetzt. Die wiederum haben erst mal ganz gepflegt 530 Eier-Attrappen aus ihrem Trickkistl geholt und sie gegen echte Tauben-Eier ausgetauscht. Die Vögel brüten und brüten und brüten. Bis es ihnen irgendwann zu dumm wird, weil keine Nachwuchstauben aus den Eiern kommen. Nett ist die städtische Finte nicht, aber notwendig. Alle Sauereien muss man sich ja auch nicht bieten lassen.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2019
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