Süddeutsche Zeitung

Kirche in der Maxvorstadt:Habe die Ehre

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Die Kirche St. Benno feiert ihr 125-jähriges Bestehen mit einer Festschrift und einer Festwoche

Von Stefan Mühleisen

Pfarrer Ludwig Sperrer staunt nicht schlecht, als er seinen Vor-vor-vor-vor-vor-gänger Joseph Thanner als leibhaftigen Geist beim Nickerchen im Beichtstuhl ertappt. Nach dem ersten Schreck kommen die Männer ins Plaudern; der eine erzählt, wie es einst so war in und um die Kirche St. Benno, vor 125 Jahren. Der andere spricht darüber, wie es heutzutage so zugeht. "Ohne Frauen im kirchlichen Dienst wäre Kirche heute gar nicht mehr denkbar", muss da der verdutzte, 1923 verstorbene Gründungspfarrer aus Sperrers Mund erfahren.

Es ist eine kleine, von den Gemeindemitgliedern Monika Prestel und Martina Mittermeier klug konstruierte Erzählung zum Auftakt der 70-seitigen Festschrift für das Jubiläum zum 125-jährigen Bestehen der Kirche St. Benno. Thanners Worte sind Originalzitate aus dessen Chronik, die Vergangenheit unterhält sich also mit der Gegenwart - und es ist erhellend, was sie sich zu sagen haben. "Stellen Sie sich vor", so erzählt Sperrer dem überraschten Kollegen Thanner, "im Baal hatten wir einen Kneipengottesdienst geplant."

Ein monumentaler Sakralbau.

St. Benno ist das Hauptwerk des Architekten Leonhard Romeis,...

...eine neoromanische Basilika mit reichhaltiger künstlerischer Ausstattung,...

...die weitgehend von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont blieb.

Seit Freitag ist die Festwoche eingeläutet zum 125. Geburtstag von St. Benno, einer "Zierde der Stadt", wie Kardinal und Erzbischof von München-Freising, Reinhard Marx, in der Festschrift schreibt. Es ist eine besondere und eine besonders in Neuhausen und der Maxvorstadt verankerte Kirche, Namensgeberin für das "Benno-Viertel", einem Quartier mit speziellem kleinstädtischen Charakter - mit der Benno-Kirche als Fixpunkt.

Die Pfarrgemeinde nutzt das Jubiläum, um unverkrampft und gewohnt leutselig zurück und nach vorne zu blicken. Der fiktive Dialog zwischen Thanner und Sperrer zeigt, was damals undenkbar war und heute möglich - Frauen in kirchlichen Ämtern oder Messen in Kneipen. Und was heute als normal gilt, war zu Thanners Zeiten kaum vorstellbar. Dass die Pfarrgemeinde von gut 25 000 Mitgliedern und sieben Geistlichen um das Jahr 1900 auf heute gut 7000 Gläubige und ein kleines Seelsorge-Team zusammenschrumpft ist zum Beispiel, die Filialkirche St. Barbara mitgerechnet. Es war eine Zeit, in der es zu wenige Kirchen für die vielen Gläubigen gab - und man noch mächtige Gotteshäuser für die Ewigkeit baute.

Der Erzbischof Antonius von Steichele appellierte 1883 an die Münchner Katholiken, ihren Obulus beizutragen für drei neue Kirchen: St. Maximilian in der Isarvorstadt, St. Paul in der Ludwigsvorstadt - und, zu Ehren des Schutzpatrons Bayerns und Münchens, dem 1106 gestorbenen, 1523 heiliggesprochenen Bischof von Meißen: Benno. Als günstig sollte sich erweisen, dass der Erzgießer Ferdinand von Miller die Zeit für gekommen sah, sein Gelübde einzulösen: Sein berühmtester und schwierigster Guss war die Kolossalstatue der Bavaria gewesen. Und "als diese große Dame endlich auf dem hohen Sockel an der Theresienwiese stand", so berichtet es Urenkelin Marie von Miller-Moll in der Festschrift, gab er ein inneres Versprechen ab, den Baugrund für eine Stadtkirche zu spenden. So trägt der Platz, auf dem die Kirche steht, heute seinen Namen; im Bauwerk ist der Familie eine Seitenkapelle gewidmet, die Apsis zeigt ein Mosaik der Namenspatrone der Millers.

Die kreuzförmige Basilika ist ein beeindruckender Bau von 71 Metern Länge....

...und einer 64 Meter hohen Doppelturmfassade, zudem ist sie Namensgeber des "Benno-Viertels".

Pfarrgemeinderatsvorsitzender Michael Zeller (li.) mit Festschrift-Verantwortlicher Monika Prestel und Pfarrer Ludwig Sperrer.

Der Hl. Benno, Schutzpatron Bayerns und der Stadt München, war von 1066-1106 Bischof von Meißen.

Für ein zeitgenössisches Element sorgt das Glaskunstwerk des Künstlers Andreas Horlitz.

Die kreuzförmige Basilika ist ein beeindruckender Monumentalbau von 71 Metern Länge und einer 64 Meter hohen Doppelturmfassade, Hauptwerk des Architekten Leonhard Romeis, der sich dem Historismus verschrieben hatte, in diesem Fall der Ästhetik der Stauferzeit. Als "ein neoromanisches Meisterwerk, das in Süddeutschland seinesgleichen sucht", bezeichnet Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Grußwort die Benno-Kirche. Ihresgleichen hat sie auch deshalb nicht viele, weil die reichhaltige, künstlerische Ausstattung weitgehend von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont blieb. "Bei Luftangriffen haben sich die Leute in der Krypta versteckt", sagt Sperrer, seit 2003 Pfarrer von St. Benno, dieses Mal nicht bei einem erfundenen, sondern realen Treffen in der Kirche.

Er steht dabei im mächtigen Hauptschiff, blickt an den Säulenreihen und den Arkadengruppen empor und hinüber zum Hochaltar im Chorraum, eine Stiftung von Prinzregent Luitpold, wo in der Apsis ein prächtiges Mosaik von Christus als Weltenherrscher herabblickt. Einzigartig sei es, so sagt er, dass diese Anlage mit all seinen Statuen, Fresken, Mosaiken so gut erhalten sei, zumal noch angereichert mit dem Glaskunstwerk des Künstlers Andreas Horlitz. Im Angesicht des Altarraums kommt Ludwig Sperrer auf Franz Xaver Eder zu sprechen, sein Vorgänger als Pfarrer. Und da wird klar, dass sich die Identität von St. Benno nicht nur an das Bauwerk bindet, sondern an den besonderen Geist, der hier beheimatet ist. Eder war ein progressiver Mann, der als Kaplan wirkte, und von 1974 an als Pfarrer den Aufbruchsgeist des Zweiten Vatikanischen Konzils durch St. Benno wehen ließ. Er zimmerte einen Volksaltar aus einem einfachen Tisch, platzierte ihn vor dem Hochaltar. "Die Änderungen kamen für mich einer Revolution gleich", erinnert sich Monika Reiter in der Festschrift, seit 41 Jahren Mitglied im Frauenbund St. Benno. Nicht nur, dass die lateinische Messe plötzlich passé war, Frauen und Mädchen durften an der Liturgie mitwirken.

Führte man mit Eder einen fiktiven Dialog, wäre dieser wohl erschüttert, erführe er vom Personalplan der Erzdiözese, wonach bis 2030 jede vierte Stelle in der Seelsorge wegfallen soll. Sperrer zumindest erwähnt es bei dem Treffen in der Kirche. Wie das wohl werden wird? Keiner weiß es, auch Sperrer nicht. "Bewegte Zeiten" lautet der Titel der Festschrift - und das trifft auch für die Gegenwart zu. Angst vor der Zukunft hat der Benno-Pfarrer jedenfalls nicht. "Es ist einfach schön, in einer Gemeinschaft zu leben, in der man sich gut aufgehoben fühlt", sagt er in dem fiktiven Dialog fidel zu dem offenbar sehr zufriedenen Amtsvorgänger Thanner.

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SZ vom 10.10.2020
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