Süddeutsche Zeitung

Corona in München:Geistersurfen auf der Eisbach-Welle

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Die Surfwelle am Englischen Garten ist ein Ort des Sehens und Gesehenwerdens - eigentlich. In Zeiten von Corona-Beschränkungen ist das allerdings ein wenig knifflig.

Kolumne von Max Ferstl

Jeder weiß, dass Surfen ein unheimlich lässiger Sport ist, und als solcher hat er mit der Eisbachwelle eine würdige Bühne bekommen. Am südlichen Eingang des Englischen Gartens, gleich am Haus der Kunst und beim P 1. Es ist der Ort des Sehens und Gesehen-werdens, wogegen niemand ernsthaft etwas haben kann. Nicht die Surfer, weil Lässigkeit besser wirkt, wenn andere sie mitbekommen. Nicht die Touristen mit ihren Kameras im Anschlag. Und schon gar nicht die Stadt München, weil man sich als Stadt eher nicht wehrt, wenn einen Surfmagazine und Reiseführer als "Hotspot" bezeichnen. Deshalb ignorierte sie recht lässig, dass Surfen auf der Eisbachwelle lange Zeit offiziell verboten war.

Doch jetzt gibt es neue Vorschriften, wegen der Pandemie, wegen der Angst vor einer Infektionswelle. Surfen ist nach zweimonatiger Pause zwar wieder möglich, aber nur mit strikten Hygiene-Auflagen. Das Abstandsgebot muss eingehalten werden, teilt die Stadt mit. Und: "Zuschauer sind vorerst am Eisbach nicht erlaubt." Kennt man ja aus der Bundesliga.

Also nähert man sich der Eisbachwelle vorschriftsgemäß mit einem Brett unter dem Arm. Als mäßig talentierter Wellenreiter kommt man lieber spät am Abend, weil da grundsätzlich weniger los ist. Was als erstes auffällt, sind die Schilder des Gesundheitsamtes. Sie mahnen die Sportler zur Distanz. Auch die Surfer haben Zettel aufgehängt. Sie bitten die Zuschauer, die nicht zugelassen sind, beim Zuschauen Abstand zu halten. An diesem Abend ist das unnötig, denn keiner schaut zu. Die Welle schimmert im Scheinwerferlicht. Geistersurfen, das geht also. Nur: Was passiert, wenn die Sonne scheint? Wenn alle raus wollen?

Daher noch ein kurzer Besuch am Sonntagnachmittag, da kommen außerhalb der Corona-Zeit die meisten Zuschauer. Und so ist es offenbar auch diesmal. Da stehen Menschen am Ufer, mit Abstand zwar, aber es lässt sich kaum abstreiten: Sie schauen eindeutig zu. Wie die Surfer auf der Welle tanzen. Wie sie durchs Wasser schneiden. Das Publikum applaudiert, es fotografiert. Und sieht, ganz lässig, darüber hinweg, dass es eigentlich nicht da sein sollte.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2020
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